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  • KenGuru

185 Beiträge seit 03.11.2016

Re: Periodisch ist so ein Ding ...

hoppeligerHase schrieb am 07.11.2022 13:56:

Ich finde es erstaunlich, dass es immer wieder Ökonomen gibt, die Behauptungen/Berechnungen anstellen, was der Kapitalismus alles könnte, wenn er es real nicht macht.

Das hat Marx selbst auch getan. Zu seiner Zeit gab es allenfalls Tendenzen, erst im 20. Jahrhundert brachen viele der von ihm beschriebenen Dynamiken sich Bahn. Aber genau dafür macht man ja Theorie: man versucht, verschiedene Aspekte des beschriebenen Systems zu verstehen und dann zu extrapolieren.

Wäre es nicht sinnvoller, sich anzusehen, nach welchen Gesetzmäßigkeiten der realen Kapitalismus funktioniert?

Oder, sich anzuschauen, auf was die Regierungen dieser Welt Wert legen, welche Zwecke die haben, und wie sie die verfolgen. Es gibt keinen Staat, der mit einem Nullwachstum zufrieden wäre. Was auch nicht verwunderlich ist, da die Mittel, die die Ökonomie abwirft ihre Machtbasis sind, und davon wollen sie möglichst viel.

Das ist so nicht richtig. Buthan zum Beispiel setzt auf eine Metrik namens Bruttonationalglück. Und in vielen westlichen Staaten ist der Fokus auf Wachstum nur noch eine Chiffre und hat keinen Bezug zur Wirklichkeit: Neoliberalismus ist nämlich ausgesprochen Wachstums- und Innovationsfeindlich im Vergleich zur fordistischen Variante des Keynesianismus. In den USA ist es seit den 70ern, in Europa seit den 90ern zu beobachten, dass Wachstum überhaupt nur noch dadurch stattfindet, dass wir mehr arbeiten. Die Arbeitsproduktivität ist völlig stagniert, eine Arbeitsstunde produziert in Deutschland heute genauso viel wie in den 90ern.

Angesichts der ökologischen Krise ist es überdies unvermeidlich, dass die Ideen der herrschenden Klasse sich bald an die materielle Realität anpassen und Nullwachstum auch offiziell zum Ziel erklärt wird. Klassische Marxisten würden dann einen Untergang des Systems erwarten. Das halte ich aber für gefährlich naiv. Meine Überlegungen sollen unter anderem auch aufzeigen, dass die kapitalistische herrschende Klasse auch weiterhin Wege finden wird, ihre Macht zu sichern, wenn wir nicht eingreifen. Selbst große ökologische Krisen sind lediglich ein Aggregatzustand des Kapitalismus und künden nicht automatisch seinen Untergang an. Der Untergang kommt entweder durch Revolution oder einen Atomkrieg - und selbst dann ist nicht gesagt, dass in den Bunkern der Kapitalismus in maximal kleinbürgerlicher Form nicht doch noch fortlebt.

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