Irgendwie erinnert mich der ganze Unsinn mit den Bürgerräten an eine Sternstunde der Politik.
Der Egon Krenz war damals der designierte Nachfolger des greisen Diktators Erich Honecker. Dieser wurde damals von einem noch älteren, aber nicht so greisem Erich gedeckt, so dass der Egon einfach abwartete, denn die Macht würde ihm schon in den Schoß fallen.
Dann ging es 1989 hoppla hopp.
Auch die DDR erfasste damals der Wind of Change aus dem Kreml und der gemeine Ossi tanzte auf dem Tisch und forderte Veränderungen. Aufhänger der Demonstrationen war hier eigentlich nur der übliche Wahlbetrug in der DDR.
Irgendwann begriffen der eine Erich, der Egon und wahrscheinlich noch ein paar Andere, das man diese Welle wohl nicht mehr so einfach mit einer Runde Stasi-Knüppelei abfangen konnte. Eine Veränderung musste her: Der andere Erich musste weg!
Also beschäftigte sich der Egon und der andere Erich damit, den Honecker in die Wüste zu schicken. Das klappte dann auch.
Und der Egon nahm sich ein Herz und ging mitten in die Demonstrationen und versuchte das Volk wieder einzufangen "Wir können doch über alles reden!".
Aber niemand wollte mehr mit ihm reden!
Damals liefen göttliche Bilder über das Fernsehen.
Der Egon hatte zwar die Macht, aber überhaupt kein Mandat mehr und hatte auch keine Ahnung, wie man Leute hätte noch einfangen können. Und so ging der Kahn DDR unter.
Wenn der Egon und seine SED viel früher agiert und wirklich noch eine Ahnung gehabt hätten, wo der Schuh drückt, dann wäre es vielleicht anders gelaufen und wir hätten vielleicht noch heute eine DDR.
Wie soll ich mir jetzt die albernen Bürgerräte vorstellen?
Als so eine Art Volk unter dem Glas, das unseren heutigen Egons erzählt was die eigentlich wollen, weil unsere Berufspolitiker, die direkt von der Schule ins Parlament gefallen sind, garkeine Ahnung mehr haben, was sie im Parlament eigentlich wollen, außer "an der Macht" zu sein?
Warum soll ich dann eine Partei wählen?
Dann nurnoch nach Nase?
Für die Älteren die Königin Wagenknecht, die Mittelalten wählen Baerbock und die Jungen die Ricarda Lang? Oder nach welchen Kriterien soll das gehen?
Denn die Richtlinien diktieren dann ja die Bürgerräte.
Dann sollten wir die "Demokratie" dann doch lieber abschaffen.
Also die Legislative machen ein paar Juristen und Fachexperten.
Und die Exekutive machen dann Manager, die wirklich Leute führen und mit Problemen umgehen können.
Zur Kontrolle braucht man keine Wahlen. (Sondern eher eine Art Aufsichtsrat.)
Die zweite Grundsatzkritik lautet, Bürgerräte seien nicht demokratisch. Dahinter steckt ein Bezweifeln der Repräsentativität der Auslosung. Doch wenn die Auslosung methodisch sauber läuft, gibt es an der demokratischen Legitimation nichts zu bezweifeln.
Dazu muss u.a. die ausgeloste Gruppe groß genug sein. Mit 160 Personen wie im Bürgerrat kommt man diesem Anspruch jedenfalls schon nahe, die genau notwendige Zahl müsste experimentell ermittelt werden. Anders als bei Meinungsumfragen und insbesondere Wahlprognosen trifft ein Bürgerrat aber keine Aussagen, bei denen es auf exakte Prozentangaben ankäme.
Der Autor hat keine Ahnung, was repräsentativ bedeutet. Mit der schieren Größe der ausgewählten Gruppe hat das nur ganz wenig zu tun, sondern in wie weit diese Gruppe repräsentativ für die Grundgesamtheit ist. Ui. Und das hängt wiederum an den jeweils zu berücksichtigenden Kriterien. So 160 hartzelnde, berliner Greise haben ein anderes Interessen und Bedürfnisprofil, als 160 Mütter aus dem badischen Raum.
Die Repräsentrativität ist immer die große Schwäche einer fast jeden Studie.
Und die Auswahl der Kriterien bestimmt oft das Ergebnis.
Und genau deshalb gibt es Wahlen: Weil niemand für die Gesamtheit der Bevölkerung, für alle Themen eine hinreichend gute Kategorisierung und repräsentative Gruppen zusammenbasteln kann.
Es ist die Aufgabe der Parteien im Vorfeld zur Willensbildung des Volkes beizutragen und sich dann für ihre Lösung ein Mandat geben zu lassen. Und nicht umgekehrt.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (26.05.2023 13:08).