Vorab möchte ich erwähnen, dass du gar nicht auf mein Argument eingegangen bist, bzw. auf den inhaltlichen Unterschied zwischen der Nationalismuskritik zwischen Nietzsche und Schuster, den ich da erklärt habe.
TELEDEMOS schrieb am 21.02.2021 10:53:
"Du hast also offenbar Nietzsche nicht verstanden!"
Ich habe seine Schriften gelesen und auch verstanden. Es sieht mehr danach aus, dass du zu diesem Urteil gelangst, da dir mein Gedanke nicht passt.
Du sprichst von einem „Prinzip der Fehlidentifikationen“, „also das ausbilden von Fehlidentitäten zur Bindung der dummen Sklaven an z.b. auch Unternehmen“. „Und so reduziert sich der Sklave, die Überflüssigen, auf ihren Beruf, oder auf eine Nation, oder auf Unternehmen, oder eine Funktion, und verlieren dabei die Ihnen natürlich gegebe Identität.“
Die disparatesten Dinge, für die ein Bürger mit den unterschiedlichsten Argumenten Partei ergreift und sich mit ihnen identifiziert, werden unter einem abstrakten Prinzip subsumiert. Womit also vollkommen über die Frage hinweggegangen wird, was so ein Mensch sich zu diesen konkreten sozialen Verhältnissen so denkt, in denen er lebt. Dir geht es auch gar nicht darum, was das konkret ist, womit der Bürger sich zurechtfindet, wie seine Interessen in der entsprechenden Institution oder Rolle vorkommen.
Vielmehr kritisierst du daran, dass man sich so gar nicht einen idealen Individualismus bewahrt. Dass sich alle mit ihrem Beruf, ihrer Nation, ihrem Unternehmen oder ihrer sozialen Funktion arrangieren und diese sogar theoretisch akzeptieren – das alles interessiert einen Moralisten wie Nietzsche (du sprichst ja in seinem Namen) nur unter einem Gesichtspunkt: Bleibt sich der Mensch da seiner Einzigartigkeit, seiner wirklichen Freiheit, seinem wahren Wesen treu? – wobei hier erst einmal als Vorurteil ein Menschenbild konstruiert („natürlich gegebe[ne] Identität“) und moralisch bewertet werden muss: Das Ideal des Übermenschen als Einzigartiger, Überlegener, der niemandem gleichgestellt ist, sondern frei herrscht und schafft usw.
Wenn man dann mit diesem Idealismus in der Tasche „Sklave“ als Abwertung gebraucht, wird gar nicht ausgedrückt, dass da die Interessen von jemandem zu Schaden kommen, dass da jemand ausgebeutet und unterdrückt wird. Das interessiert da gar nicht, sondern einzig die Tatsache, dass da jemand überhaupt nicht einzigartig ist, dass derjenige sich wie alle anderen gleich verhält, in derselben gleichen Rolle verharrt. Es ist ja überhaupt merkwürdig den Sklaven, der eine ökonomische Rolle darstellt, mit dem Begriff „Überflüssiger“ synonym zu gebrauchen, der deinem Tenor nach etwas ganz anderes beschreibt als eine historisch-spezifische wirtschaftliche Rolle.
Warum sollte man eigentlich z.B. eine Rolle oder eine Organisation kritisieren, die den Leuten und ihren Bedürfnissen allen gleichermaßen nur nützen würde? In deinem Idealismus ist es aber ganz gleich, ob diese oder jene gesellschaftlichen Verhältnisse und Einrichtungen (wie der Nationalstaat) den Bedürfnissen der Leute nützen oder schaden.
Ich habe ja schon auf den Unterschied zwischen dem Idealismus von Nietzsche und dem Standpunkt des Autoren verwiesen. Schuster setzt gar keine ausgedachte Moral auf diese Realität, sondern untersucht wie es um die Interessen der Leute in dieser Gesellschaft bestellt ist und darauf aufbauend, was sich die Leute darüber denken – und dass sie gut daran tun, ihre Parteilichkeit abzulegen, wenn die Verhältnisse ihnen schaden.
Der Autor hat nicht begriffen worüber er im Kern eigentlich schreibt.
Er schreibt eben nicht über deinen idealistischen Gesichtspunkt, den du von Nietzsche übernommen hast.