auf_der_hut schrieb am 23.06.2022 18:46:
Die Linie der Grünen war hier immer ganz klar gegen das Mauscheln und Kuscheln mit Autokraten - das kommt auch daher, dass die ostdeutsche Bürgerbewegungen heute Teil der grünen Identität sind. Deshalb sind sie jetzt die einzigen, die jetzt keine 180-grad Wende gegenüber Putin hinlegen mussten, weil sie nachweislich schon immer misstraut haben und eher bereit waren, auf die Warnungen unserer Nachbarn im Osten zu hören.
Wegen billigem Erdgas einen brutalen Angriffskrieg nicht das zu nennen was er ist, ist keine Friedenspolitik, sondern nur feige, einfach und bequem. Vielleicht auch geschickt und schlau - nur eins ist es nicht: es ist nicht richtig.
Die Grünen, und insbesondere Habeck, sind bereit, Zumutungen zu benennen und auch die Verantwortung dafür zu übernehmen. Diese Zumutungen sind eine Folge der Entscheidung der deutschen Regierung, sich zusammen mit ihren Partnern an die Seite der Ukraine zu stellen und keinen deutschen Sonderweg irgendwo zwischen den Blöcken zu suchen, der den Westen spalten und Putin in die Hände spielen würde. Ein Journalist sprach heute von einer "Blut, Schweiß und Tränen"-Rede.
Die Frage, ob es dem Frieden mehr dient einem Aggressor entgegenzutreten bzw. ihn von seinem Tun abzuschrecken oder einfach jeden bewaffneten Kampf konsequent abzulehnen, wie gerecht er auch erscheinen mag, ist nicht leicht zu beantworten. Es ist eine Diskussion, die die Grünen seit den Jugoslawienkriegen immer wieder, stellvertretend für die ganze Gesellschaft, führen und deren Symbol der Farbbeutelwurf gegen Fischer ist. Jedenfalls sind diejenigen, die hier Hurra schreien wenn Putin die Ukraine in Schutt und Asche legt, weil er es damit den arroganten Amerikanern mal so richtig besorgt, keine Pazifisten. Die stereotype Forderung nach "Verhandlungen", bei denen Putin die Bedingungen diktiert, ist auch nur eine schlecht getarnte Variante dieser Haltung.
Es ist eine unschöne Wahl zwischen zwei Übeln, wenn grundsätzlich gegen den Krieg zu sein bedeutet, einem Land wie der Ukraine das Recht und die Mittel abzusprechen, sich gegen einen brutalen Überfall zur Wehr zu setzen. Aber die Grünen sind derzeit die einzige Partei, die sich dieser Wahl und ihren unangenehmen Konsequenzen überhaupt stellt und sie nicht versucht irgendwie wegzudrücken. Z.B. indem man die Ukrainer zu Nazis erklärt und den brutalen Überfall zur "Befreiung" umdeutet. Da sollte man Putin doch eher helfen, denn Nazis findet schließlich jeder furchtbar.
Glaubt man den Umfragen, dann profitieren von den Regierungsparteien derzeit nur die Grünen (Forsa +8% seit der BTW), und das trotz der deutlichen Worte von Habeck, der ja nicht erst seit gestern harte Zeiten ankündigt. Die heftigste Kritik kommt meist von Leuten, die die Grünen ohnehin nie wählen würden. Alleine schon weil die gendern und eine Frauenquote haben. Und wo eine dicke Frau und ein Migrant Vorsitzende sind.
Ihre moralischen Bedenken sind sehr ehrenwert, aber in der Politik geht es (leider) nicht um Moral. Den fundamentalistischen Autokraten von Qatar gegen W. Putin einzutauschen, sollen Ihnen dann doch auch moralische Probleme bereiten.