Nein. Das gibt das Urteil nicht her.
Von Klatschpresse kann wohl kaum die Rede sein, wenn es um strafrechtlich relevante Vorwürfe geht, zu denen noch ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren läuft. Die Frauen sind nicht vom Spiegel ausgegraben worden, sondern haben sich selbst aktiv an die Öffentlichkeit gewandt - und das mit Aussagen, die für sie selbst ja auch nicht gerade angenehm waren. Sie werden seither massiv bedroht. Diesen skandalösen Aspekt beleuchtet der Artikel verschweigt der Artikel. Andersrum gefragt: wäre es richtig gewesen, die Aussagen der Frauen einfach unter den Teppich zu kehren? Das ist schon eine arge Doppelzüngigkeit von Seiten von Leuten, die sonst bei jeder Gelegenheit "Zensur" brüllen und der Meinungs- und Pressefreiheit Priorität unabhängig vom Wahrheitsgehalt einräumen.
Das Gericht hat durchaus ein öffentliches Berichterstattungsinteresse an den Vorgängen eingeräumt, alleine schon als Warnung an zukünftige Besucher der Aftershow-Partys. Es hat diesem Interesse z.B. in der Abwägung Vorrang vor dem Schutz der Intimsphäre von Lindemann eingeräumt.
Das ist kein Sieg Lindemanns auf ganzer Linie, so wie der Artikel das suggeriert. Deshalb haben mittlerweile auch Lindemanns Anwälte Rechtmittel gegen das Urteil eingelegt.
Das positive ist, dass es im weiteren Verfahren eine Klärung der Grenzen und Freiräume von Verdachtsberichterstattung geben wird. Und das erscheint wirklich bitter nötig zu sein.
Eine fachliche Einordnung des Urteils findet sich hier
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/lindemann-spiegel-unterlassung-rammstein-lg-hamburg/
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (20.07.2023 22:38).