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  • Jens Niestroj

131 Beiträge seit 23.07.2023

Re: Der militärisch-industrielle Komplex (MIK) der USA wird chronisch unterschät

Ihr wisst schon genug. Ich auch. Nicht an Wissen mangelt es uns.
Was fehlt, ist der Mut, begreifen zu wollen, was wir wissen, und daraus die Konsequenzen zu ziehen.

Sven Lindqvist

Es geht eben um eine Menge Geld, um ein schützenswertes System der Selbsbereicherung.
Dass diese Herrschaften Mittel und Wege haben, Ihre "Interessen" zu verteidigen, dürfte klar sein. Logisch muss nicht argumentiert werden, "Sicherheit", "Arbeitsplätze" und "Demokratie", sowie andauernd wiederholten Verweise auf die dämonischen Feinde (Putin, Hamas) reichen offenbar aus.

Dabei ist die Art und Weise der Selbstbereicherung so dreist, dass sie eigentlich auf den ersten Blick erkennbar sein sollten. Was nicht der Fall ist, weil die Medien lieber das Bild des guten Westens und der dämonischen Feinde des Westens darstellen.

Ich möchte zwei (ältere) Beispiele für die Unverfrorenheit der Selbstbereicherung nennen, die noch nicht einmal im Interesse einer imperialen Politik der USA sein sollten:

Die großen US-Rüstungskonzerne sind praktisch US-Bundesbehörden, da sie mit dem US-“Verteidigungs“ministerium (DoD) fast nur einen Auftraggeber haben. Sie bleiben aber offiziell "privat" weil man in der „freien Wirtschaft“ als „Führungskraft“ wesentlich mehr „verdient“, als im (offiziell) öffentlichen Sektor. Vergleicht man aber die Abhängigkeit der Rüstungskonzerne vom DoD kann man die wichtigsten US-Rüstungskonzerne nur als scheinselbstständig bezeichnen.
Aufträge des DoD schlugen z.B. bei Lockheed Martin mit folgenden Anteilen am Umsatz zu Buche:
2003: 78 %, dies waren 21,9 Mrd. $
2004: 80 %, dies waren 20,7 Mrd. $
2005: 85 %, dies waren 19,4 Med. $
2006: 84 %, dies waren 26,6 Mrd. $
Für den Rest des Umsatzes sind „befreundete Regierungen“ zuständig.
Hohe Militärs in den USA wechseln schon seit Jahrzehnten zwischen Militär, DoD und Rüstungsindustrie und zurück. Zwischen Januar 1997 und Mai 2004 wechselten mindestens 224 hohe Beamte des DoD und anderer Bundesbehörden zu den 20 größten Rüstungskonzernen.
Hierzu rechnet zum Beispiel Edward C. "Pete" Aldridge Jr., dessen Vita es in sich hat:
Anfang der 1960ger: Douglas Aircraft
1967: DoD "Systemanalyse"
1972 Seniormanager CTV Aerospace Co.
1974: DoD "strategische Programme"
1977: Vizepräsident der National Policy and System Group
1981: Untersekretär US Air Force
1986: Sekretär US Air Force
1988: Präsident der Mc Donnell Douglas Electronic System Co.
1992: Aerospace Co.
2001: DoD Untersekretär für Beschaffung, Logistik und Technologie
2003: Mitglied des Board von Lockheed Martin, nachdem er Lockheed Martin einen 200 Mrd. $ Auftrag für die Entwicklung und den Bau des F-35 Kampfflugzeugs beschafft hatte

Aber auch der letzte Irakkrieg hatte es in sich. Im Folgenden gehe ich nicht auf die zahlreichen Kriegsverbrechen, Brandschatzungen und Plünderungen ein, sondern hauptsächlich auf die Wochen nach dem offiziellen Kriegsende.
Offiziell dauerte der Irakkkrieg vom 20.03. bis 01.05.2003 und endete mit einer Kapitulation der irakischen Truppen und der Besetzung des Irak durch die USA und Großbritannien .
Auf US-Seite tobte in den ersten Wochen nach dem offiziellen Ende des Irakkrieges ein Machtkampf zwischen der US-amerikanischen Ölindustrie und den Neokonservativen. Zunächst konnte sich Big Oil durchsetzen und stellte mit Generalleutnant Jay Garner den ersten Besatzungschef im Irak. Herr Garner hatte vor, binnen 90 Tage Wahlen abzuhalten. Zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung Iraks wollte er die heimische Landwirtschaft zu stützen indem ausreichend hohe Zölle auf Lebensmittelimporte erhoben werden sollten.
Er lehnte zudem Privatisierungen im großen Stil ab. Dies betraf auch die Ölindustrie, die er unter dem Besitz des irakischen Staates belassen wollte.
Unglücklicherweise (für die Menschen im Irak) gewannen die Neokonservativen die Oberhand und stürzten Garner schon nach zwei Wochen. Garner wurde durch den neokonservativen „Prokonsul“ Bremer ersetzt, der alle Proklamationen wie ein gekörntes Haupt mit "My authority under the usage of war" begann.
US-Prokonsul Bremer hat mit Order 12 einen total freien Markt im Irak eingerichtet. Damit ruinierte er die irakische Landwirtschaft und das Kleingewerbe. Heute ist der Irak - im Gegensatz zu den Zeiten von Saddam Hussein - nicht mehr dazu in der Lage, sich selbst zu ernähren - alles muss importiert werden. Es gab selbst nach offiziellen Zahlen mehr als 60% Arbeitslose im Irak.
Bremer „privatisierte“ auch das gesamte Volksvermögen Iraks: Neben der Ölindustrie wurden die Wasserversorgung, die Stromerzeugung und -versorgung, die Banken, Brücken usw. „privatisiert“. Parallel schaffte Bremer die Steuern für Multinationale Konzerne ab und senkte die Einkommenssteuer für Reiche. Damit schuf der die Basis für eine umfassende Ausplünderung des irakischen Volkes.
Aber damit nicht genug: Bremer hat neben dem vorhandenen Bargeld der irakischen Nationalbank (etwa 353 Mio. $) auch etwa 8.000.000.000 $ aus dem Oil for Food-Programm dem irakischen Volk gestohlen.
Hinzu kommt, dass unter seiner „Aufsicht“ 12.000.000.000 $ Bargeld auf dem Weg aus den USA in den Irak „verschwunden“ sind (dieses Geld wurde aber dem US-amerikanischen Steuerzahler und nicht dem irakischen Volk gestohlen).
Bremer trieb direkt nach seiner Einsetzung Irak förmlich in den Bürgerkrieg, indem er immer wieder trennendes hervorhob und die Sunniten massiv benachteiligte. Parallel löste er die sunnitisch geprägte Armee auf (d.h. er lies keinen Sold mehr zahlen), „vergaß“ es jedoch, diese zu entwaffnen. Außerdem blockierte er Lokalwahlen und betrieb aktiv den totalen Ausverkauf der irakischen Wirtschaft an ausländische (vor allem US-amerikanische) "Investoren". Mit anderen Worten: er trieb die Iraker vorsätzlich in die Verzweiflung und benachteiligte eine schwer bewaffnete große Teilgruppe der Bevölkerung.
Wenn man sich dann noch vergegenwärtigt, dass 2003 irakische Polizei in Basra zwei britische Armeeangehörige verhaftete, die arabisch gekleidet waren und mit einem ganzen LKW voller Sprengstoff unterwegs waren, wundert einem der "Bürgerkrieg" im Irak nicht mehr.
Ein Bürgerkrieg im übrigen, der nicht im Interesse der USA als Staat sein konnte, der aber dauerhafte Waffenverkäufe, Luftangriffe etc. verhiess.

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