.. welches die bürgerliche Theorie schon seit fast 100 Jahren verbreitet: Man redet von Marxismus, meint aber den Stalinismus als absolutistischen und autoritären Versuch einer Umsetzung sozialistischer Theorien. Dass sich heutzutage kein ernst zu nehmender Marxist mehr auf den Stalinismus bezieht, wird schnell übersehen: Es ist ja auch viel einfacher, alles in Bausch und Bogen in einen Topf zu werfen, dann muss man sich nicht mehr mit dem Original beschäftigen.
Es gibt offensichtlich gravierende Unterschiede zwischen den verschiedenen Varianten von Marxismus und den Erkenntnissen von Marx, weshalb diese propagandistische Gleichsetzung unzulässig ist." (Richter)
Die Zurückweisung der "Gleichsetzung", die Richter hier vorträgt, ist aber noch weniger überzeugend, als die Gleichsetzung selbst. Der Stalinismus war für Richter offenbar einfach eine "Variante des Marxismus", die mit "den Erkenntnissen von Marx" wenig zu tun hatte, vermutlich weil sie keine "freie Assoziation freier Produzenten" schuf.
Deshalb braucht man sich damit nicht weiter zu befassen, zumal sich ja heutzutage auch "kein ernst zu nehmender Marxist mehr auf den Stalinismus bezieht".
Und das hält Richter ernsthaft für eine marxistische Stellungnahme?
Ist Richter wirklich noch nie der Gedanke gekommen, dass die "freie Assoziation freier Produzenten" unter konkreten historischen Bedingungen verwirklich werden muss und dass es eben diese Bedingungen waren (Ausbleiben bzw. Scheitern der Revolution in Westeuropa, zahlenmäßig schwache Arbeiterklasse in Russland, Widerstand eines beträchtlichen Teils der Bauernschaft gegen den Aufbau des Sozialismus, Notwendigkeit forcierter Industrialisierung in Anbetracht des bevorstehenden Krieges etc.), die den Stalinismus hervorbrachten? Hat Richter also wirklich noch nie historisch-materialistisch den Stalinismus analysiert? Wozu braucht er dann seinen Marxismus?
Weiter mit den Bedingungen: Wie kommt Richter eigentlich darauf, dass die sich anbahnende weltweite ökologische- und Klimakatastrophe mit all vorauszusehenden ihren gesellschaftlichen Verwerfungen ideale Umstände für die Verwirklichung der "freien Assoziation freier Produzenten" darstellen könnte?
Ich würde da eher vom Gegenteil ausgehen und hätte diesbezüglich Marxisten wie Harich ("Kommunismus ohne Wachstum? Babeuf und der »Club of Rome«) und Bahro auf meiner Seite.
Aber die beiden zählen womöglich nicht zu den "ernst zu nehmenden Marxisten".