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  • Dorodo

36 Beiträge seit 26.08.2024

„Warum immer mehr Menschen als extremistisch gelten…“

„Gelten“ bedeutet „zählen“ oder „wert sein“ und hängt davon ab, wer „zählt“ oder „bewertet“.
In diesem Fall sind es die Ideologen, die sich die „bürgerliche Mitte“ auf ihr Wappen geschrieben haben und immer noch daran festhalten, obwohl sich in den Politikwissenschaften inzwischen der Begriff von der „extremisierten Mitte“ verbreitet. Mit „extremisierter Mitte“ ist u.a. gemeint, dass die Propagandisten der „bürgerlichen Mitte“ (manchmal auch „demokratische Mitte“) den Begriff zur Stigmatisierung von alternativen politischen Strömungen benutzen und um den politischen Diskurs zu verengen.

Der Begriff der in dieser Weise „extremisierten Mitte“ ist zwar relativ neu, die Kritik am Begriff der „bürgerlichen Mitte“ zählt allerdings zu den Standards der Politikwissenschaften.

Z. B. argumentiert Oskar Negt, dass der Begriff der "bürgerlichen Mitte" oft verwendet wird, um eine vermeintliche gesellschaftliche Neutralität zu suggerieren, die in Wirklichkeit jedoch bestimmte Interessen und Machtverhältnisse maskiert. Negt sieht die bürgerliche Mitte als ein Konstrukt, das dazu dient, soziale Unterschiede und Ungleichheiten in der Gesellschaft zu verharmlosen.

Auch Autoren wie Albrecht von Lucke und Klaus Scharnowski kritisieren die politische Verengung und die Tatsache, dass die "Mitte" vor allem dazu dient, die Normativität der faktischen Macht- und Besitzverhältnisse zu untermauern.

Die „Mitte“ zu idealisieren dient zudem der Maskierung von Ungleichheit, sodass soziale Konflikte nicht mehr angemessen wahrgenommen oder adressiert werden.

Insgesamt wird der Begriff der "bürgerlichen Mitte" von vielen als eine politisch aufgeladene Konstruktion verstanden, die dazu dient, bestimmte gesellschaftlich einseitige Narrative zu kreieren und politische Diskurse zu steuern.

Mit der Verwendung dieses Schlagworts lenken links- und rechtsextremistische Diffamierungen gezielt von den systembedingten Ursachen der aktuellen Krisen ab und verhindern so grundlegende politische Reformen.

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