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  • unbekannter Benutzer

10 Beiträge seit 21.11.2003

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Sehr geehrter Herr Schleim,
vielen Danke für Ihre schöne Antwort. 

> Breit getreten, ja; aber warum übertrieben?
Ich finde diese Diskussion übertrieben da:
a) die Substanzen über die häufig geschrieben wird wie Sie selber
sagen noch Science-Fiction sind
b) die Anzahl der Personen welche die vorhandenen Substanzen
konsumieren mir noch recht gering erscheinen. Besonders im Vergleich
zu z.B. illegalisierten Substanzen wie THC, Kokain, MDMA, Amphetamin
usw.
c) Horrorscenarien entworfen werden in denen plötzlich "alle"
Leistungssteigernde Substanzen nehmen oder Firmen usw. Substanzkonsum
für Gesunde vorschreiben obwohl selbst die Medikamente ( Modafinil;
Ritalin usw. ) heute schon verschreibungspflichtig sind! Es gibt
schon gültige Standards und diese werden nicht plötzlich
verschwinden. Leider sind Sie auch nicht auf meine Bemerkungen zur
GCP eingegangen. Halten Sie die Richtlinien welche in der Entwicklung
und Herstellung von Arzneimitteln angewendet werden für nicht
angemessen?
d) eine Ähnliche Diskussion gab es auch über Computer. Auf der einen
Seite eine Technologie die uns eine gute gesunde Umwelt durch
Telearbeit ermöglichen und alle Probleme der Welt lösen sollte. Auf
der anderen Seite künstliche Maschinenwesen welche uns in den dritten
oder vierten Weltkrieg treiben und die Macht an sich reißen sollten.
Nichts davon ist eingetreten. Einfach keiner dachte am Anfang einfach
nur an mp3 oder Spiele. Deswegen denke ich dass die entsprechende
Diskussion heute ähnlich übertrieben verläuft.

> hier gehe ich einen
> Schritt weiter und mache wirklich normative Argumente mit klaren
> Konsequenzen, wo die anderen bei der Deskription stehen bleiben; ist
> Ihnen das entgangen?

Mir ist Ihre Forderung nach Konsequenzen nicht entgangen. Ihr Artikel
trägt ja schon den Untertitel Fünf Gründe gegen Psycho-Enhancement.
Alleine der Begriff "Psycho-Enhancement" ist wohl Ihre
Wortneuschöpfung um nicht Cognitive-Enhancement benutzen zu müssen.
Seelen-Erweiterung (oder wie sollte man Ihren Begriff Übersetzen)
unterstellt dass das "Brain-Doping" hauptsächlich die "subjektive"
oder "innere" Erlebensseite erweitert, dabei geht es doch in der
Diskussion eigentlich um Leistungssteigerung. Mir ist es ein Rätsel
warum Sie dieses neue Wort erfinden. Aber sicher, das Wort "Psycho"
klingt schon irgendwie gefährlich (z.B. Psychose, "Psycho-Pillen"
oder "Psycho" der Film usw.), finden Sie nicht? Ich finde die
Forderung nach interdisziplinärem Dialog nicht leer, dieser findet
immer noch viel, sehr viel, zu wenig statt. Sie haben Recht, die
Phrase ist schon abgegriffen, aber wo ist die Umsetzung? Zum jetzigen
Zeitpunkt des Dialogs und der Forschung schon Konsequenzen zu fordern
halte ich dagegen für gefährlich. Die Freiheiten und Möglichkeiten in
einer Demokratie und für Individuen überhaupt sollten nicht immer
vorschnell und aus Ängsten heraus minimiert werden, auch wenn der
politische "Trend" gerade in diese Richtung geht. Angst ist ein
schlechter Ratgeber. Ob Ihr Artikel jetzt ein Schritt weiter oder ein
Schritt rückwärts ist bleibt Ansichtssache.

> Ihnen steht es natürlich frei, meine Argument für idealistischen
> Blödsinn zu halten aber wenn Sie sagen, ich wäre bei dem Level des
> Farah-Papers stehen geblieben, dann ist das offenkundig falsch;

Ich halte Ihre Argumente auf keinen Fall für idealistischen Blödsinn,
das Sie Ihre Argumente auch gezielt gegen die Forschung richten
empfinde ich eher als regressiv.

Gerne lese ich auch Ihren zweiten Teil, ich bin sogar schon sehr
gespannt und neugierig!

> Mir geht es hier um die ethischen Argumente, nicht um die
> pharmazeutischen Details; schauen Sie doch mal in die Artikel von
> Jörg Auf dem Hövel oder in sein Buch, das gerade in der TP-Reihe
> erschienen ist; da finden Sie mehr zu den Details.

Das Buch werde ich mit bestellen, vielen Dank für den Tip! Ethik
setzt Sachkenntnis voraus und sollte eine praktische Philosopie sein,
da finde ich Details, auch pharmakologische, sehr wichtig.

> ich finde das durchaus ethisch nicht unproblematisch,
> dass sich manche Menschen durch extremen Genuss großen Risiken
> aussetzen, für welche die Gesellschaft dann als Ganze einstehen muss.
> [...]aber erklären Sie mir doch bitte, worin Sie hier die Menschenverachtung sehen? Das will ich echt wissen.

Eine Demokratie sollte sich auch selbstschädigendes Verhalten leisten
können. Anderen Menschen vorzuschreiben welchen Risiken Sie sich
aussetzen dürfen finde ich hingegen Problematisch. Sehen Sie sich
doch die geächteten Heroin-Abhängigen an, welche nicht mal in
Fixer-Räumen sauber Ihrem extremen "Genuss" nachgehen können. Was
Genuss ist sollte jeder selbst entscheiden können und müssen. Durch
Bevormundung entwickeln sich keine mündigen Bürger. Die "Kosten der
Gesellschaft" wurden auch als Argument missbraucht für Menschen die
anders sind, im schlimmsten Fall z.B. die Euthanasie/Rassenhygiene in
der NS Zeit.
Wenn zwei individuell beeinträchtigte Personen ein Kind zeugen wollen
ist das dann ein Genuss mit großen Risiken? Oder Menschen mit HIV?
Das sind extreme Beispiele dessen bin ich mir bewußt, dabei geht es
darum zu zeigen in welche Richtung Ihr Argument weist. Können Sie
sagen warum ein Mensch extremen Genuss braucht? Liegt dem vielleicht
in Ausnahmen eine Störung zugrunde oder eine Krankheit? Sollte die
Gesellschaft solche Menschen im Stich lassen? Problematisch finde ich
die sozialen oder medizinischen Leistungen für den einzelnen immer
weiter zu reduzieren oder in Frage zu stellen, nur weil er "dies"
oder "jenes" für richtig hält. Selbst der dümmste Mensch hat ein
Recht darauf wie alle anderen behandelt zu werden, gerade in einer
Demokratie und besonders medizinisch! Alles andere halte ich für
Anti-Demokratisch und eine wirkliche Gefahr. Das Leben ist nunmal
auch Risiko!

> Dass wir zum Beispiel erst
> allmählich gegen den Tabakkonsum vorgehen, da hat Europa viel zu
> lange geschlafen.

Wir gehen nicht gegen den Tabakkonsum vor sondern gegen Raucher.
Werbung für Tabak-Produkte sind z.B. nicht verboten, auch wenn es
gegen den Konsum helfen würde. Raucher zu dämonisieren wie es gerade
passiert finde ich weniger hilfreich, es erinnert mich an die
Inquisition. 
Die Industrie bereichert sich auch an der militärischen Aufrüstung,
oder am umweltzerstörenden Autofahren usw. menschenfreundlich finde
ich das genauso wenig wie den Profit der Tabakkonzerne. Und beim
ersteren wird auch der "Genuss" häufig total abgesprochen.

> Wieso ist das fahrlässig? Wenn ich weiß, dass eine Praxis unerwünscht
> ist, wieso muss ich dann noch schauen, was ihre gesundheitlichen
> Folgen wären? Nur umgekehrt ist es wichtig, wenn ich es erwünsche,
> dann sollte ich mir auch darüber sicher sein, dass es keine schlimmen
> Schäden gibt.

Um z.B. präventiv zu arbeiten oder die Folgeschäden zu behandeln!

> Jetzt reden wir wieder darüber, wie es ist und nicht darüber, wie es
> sein soll; das ist ja fast so, als würde es keinen Sinn machen, dass
> wir diese Drogenpolitik haben. Natürlich heißt das nicht, dass sie
> nicht verbesserungswürdig wäre aber würden Sie etwa behaupten, nur
> weil es Menschen gibt, die sich entgegen den Gesetzen die Substanzen
> verschaffen, deshalb die Gesetze falsch oder überflüssig sind...?
> Welche Gesetze gäbe es dann denn überhaupt noch, wenn man diesen
> Maßstab in Anschlag brächte?

Ich rede nicht davon alle Gesetze abzuschaffen, aber die
Drogen-Gesetzgebung die existiert hat genau dass geschafft was Sie
fordern, Forschung im Drogenbereich wesentlich zu erschweren oder zu
verhindern. Dadurch wurde Drogenprävention/Aufklärung zur
Drogenmündigkeit zu einer Farce. Wenn lang genug unwissenschaftliche
Halbwahrheiten bis Lügen verbreitet werden hat das sehr wohl soziale
Konsequenzen. Wer für den Menschen ist muss für Forschung sein, auch
in Bereichen die er persönlich ablehnt welche aber für andere
Menschen Alltag sind.

> Tja, da sind Sie wieder auf der beschreibenden Ebene; die Frage ist
> aber doch, welche normative Konsequenz wir daraus ziehen sollen: Mit
> den Schultern zucken und sagen, so ist's eben? Dann Ethik ade!

Nein, praktische Lösungen für den Alltag entwickeln, möglichst
Differenziert!

> Sie können meinetwegen über meine Ideale lachen aber dass ich mich
> daran orientiere, das können Sie mir nicht vorwerfen; woran soll man
> sich in normativen Kontexten denn sonst orientieren, wenn nicht an
> dem, was man für richtig hält? 

Ich lache nicht über Ihre Ideale. Ich respektiere Sie und finde es
schön das Sie sich der Diskussion stellen und dass Sie für sich
wissen was richtig ist. Ich stelle nur in Frage ob Ihre Ideale auch
für andere gelten sollten.

> Was halten Sie von diesen Zahlen?
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27616/1.html

Das es kulturelle Zusammenhänge gibt stelle ich nicht in Frage. Was
Freiheit oder Selbstverwirklichung für Menschen bedeutet sollte aber
jeder für sich entscheiden. Wieviele dieser 7.822 Frauen (0,0026% der
Bevölkerung der USA) hatten den eigentlich einen wirklichen
Leidensdruck? Dabei ist mir egal wie dieser entstanden ist. 
Der Anstieg wird schon mit Nachahmungseffekten zu tun haben, aber
sicher auch einfach mit dem bekannt werden der Möglichkeit. Wie
denken Sie eigentlich über eine Zahnspange? 

> Wäre es aber nicht besser, wenn Sie nicht erst Pillen schlucken
> müssten, um Zeit für Ihre Familie haben zu können? Wie absurd ist das
> denn?! 

Ich warte...
Etwas absurd ist es schon. Der Fokus liegt jetzt jedoch immer auf dem
Leistungsfaktor, über die Konsequenzen im sozialen Kontext suche ich
noch nach Antworten, den diese Aspekte sind leider überhaupt nicht in
Diskussion.

> Wissen Sie, auf genau diese Fragen möchte ich hinaus und ich freue
> mich, dass Sie sie hier ansprechen. Es geht doch darum: Was ist das
> gute Leben? Welche ist die gute Gesellschaft?

Das ist eine sehr gute Frage, auf diese werde ich nach dem zweiten
Teil Ihres Artikels eingehen.

Mit freundlichen Grüßen

Olaf Clausing

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