etwasvernunft schrieb am 29.10.2018 18:20:
Am besten hat mir dein Hinweis auf die längst widerlegte Objektivität der Tatsachen gefallen
in Verbindung mit:
Nur weil ich mit meinem einmaligen Hirnsystem die Sachen so und so interpretiere und auslege, müssen das alle anderen auch so tun, denn Fakten sind nun einmal nicht zu widerlegen.
Es mag ja in gewissen "Geisteswissenschaften" so sein, dass alles nur ein subjektives Konstrukt und daher Objektivität nicht möglich ist, aber dies allgemein zu setzen, ist ziemlich sicher ein Schmarrn. Entweder ich habe Ihren Text nicht verstanden oder ich muss Ihnen leider sagen, dass viele Dinge einfach objektiv vorhanden und wahr sind. Z. B. das beliebte Beispiel von Prof. Lesch: Ich gehe mit Ihnen ins Watt hinaus und verabschiede mich von Ihnen mit den Worten: Ich kehre jetzt um. Sie können aber beruhigt weiter gehen, denn für Sie ist die Flut ja nur ein intellektuelles Konstrukt (oder so ähnlich). Und schließlich beweist die einfache Tatsache der Existenz von - sagen wir Flugzeugen -, dass Konstrukte des menschlichen Geistes durchaus real und objektiv sein können.
Sie teilen meine Einschätzung des Artikes, aber meine liegt darin, dass Herr Spitzer als Naturwissenschaftler denkt und deshalb seine Position mit intersubjektiv überprüfbaren Fakten untermauert. Wenn ihm dabei Fehler unterlaufen sein sollten oder neuere Erkenntnisse eine Revision erfordern, dann geht das ebenfalls nur auf dieser naturwissenschaftlichen Ebene.
1. Niemand ist in der Lage, alle, wirklich alle Aspekte einer Sache, die ihm auf der Netzhaut erscheint oder die er fühlt, spürt, hört etc. zu erfassen. Immer wenn du meinst, du hättest alles Aspekte dieses einen Dings erfasst, kommt einer daher, der dich auf einen Aspekt hinweist, der dir entgangen ist. Also kann man sagen, alle Wahrnehmung, jegliche Symbolbildung im Neokortex hat Modellcharakter, ist niemals vollkommen, erfasst niemals alles Aspekte einer gegebenen Sache, ist, mit einem Wort: subjektiv.
2. Kein Mensch hat zu allen Dingen dieselben Erfahrungen, speichert dieselben Eindrücke, schätzt und wertet auf dieselbe Weise wie irgend ein anderer. Weil wir aber immer nur die Dinge einer Sache kommunizieren, über die wir uns potenziell einigen könnten oder über die wir uns bereits geeinigt haben, entsteht uns der Eindruck, es gäbe da eine objektive, unverrrückbare Welt, die genau so ist, wie wir uns das vorstellen. Natürlich ändern unsere Gedanken nichts direkt an den Dingen, die unsere Gedanken nur symbolisieren. Gedanken sind Symbole, die mit anderen Symbolen verknüpft sind. Eine objektive Welt zu behaupten würde aber erfordern, dass du alles über diese Welt weisst, was niemand tut.
3. Die Wörter objektiv und subjektiv werden sehr oft total falsch verwendet. Als objektiv gilt das, was gerade in der Wissenschaft für richtig gehalten wird, morgen aber schon wieder anders sein kann. Als subjektiv nimmt man an, wenn jemand nicht klar denken kann, wenn er seine Gefühlswelt mit einbringt und so fort. In Wirklichkeit gibt es aber nur subjektive Wahrnehmung, eine objektive Wahrnehmung wird immer nur behauptet, ist aber nicht wirklich machbar.
Das sind Basissätze moderner Erkenntnistheorie, wie sie nicht erst die Ergebnisse moderner Hirnforschung nahelegen, sondern schon vor Jahrhunderten von klaren Denkern herausgearbeitet wurden. Im Netz gibt es die Seite gleichsatz.de, da findest du die Klassiker und auch moderne Philosophen, die ich dir an dieser Stelle nur empfehlen kann. Ich kann dich hier nicht überzeugen, das kannst du nur selbst tun. Das wäre auch viel zu viel Stoff, bei all den "Wahrheiten" die man dem Menschen seit undenklichen Generation ins Hirn brennt. Mach dir selbst mal eine längere Zeit Gedanken darüber, lasse dich durch gleichsatz.de anregen, wann immer es dich danach gelüstet, und dann können wir in ein zwei Jahren vielleicht nochmal drüber reden.