etwasvernunft schrieb am 29.10.2018 18:20:
Am besten hat mir dein Hinweis auf die längst widerlegte Objektivität der Tatsachen gefallen
in Verbindung mit:
Nur weil ich mit meinem einmaligen Hirnsystem die Sachen so und so interpretiere und auslege, müssen das alle anderen auch so tun, denn Fakten sind nun einmal nicht zu widerlegen.
Prof. Lesch: Ich gehe mit Ihnen ins Watt hinaus und verabschiede mich von Ihnen mit den Worten: Ich kehre jetzt um. Sie können aber beruhigt weiter gehen, denn für Sie ist die Flut ja nur ein intellektuelles Konstrukt (oder so ähnlich). Und schließlich beweist die einfache Tatsache der Existenz von - sagen wir Flugzeugen -, dass Konstrukte des menschlichen Geistes durchaus real und objektiv sein können.
Das Lesch-Beispiel ist ja plausibel, und über so einfach strukturierte Sachverhalte wie eine wattwanderung kann es durchaus eine intersubjektive Übereinkunft geben. Die geht dann im Falle der Technik durchaus so weit, dass Flugzeuge existieren und fleigen und ich mich auch tatsächlich in ein solches setze, weil ich den Glauben bzw. die technischen Annahmen teile.
Lesch könnte ja noch nicht einmal seinem Freund etwas sagen, spräche der nicht eine vergleichbare Sprache, bestehend auf intersubjektiver Übereinkunft.
Ob aber etwas, worüber man intersubjektiv Übereinkunst erzielt hat, real ist, das steht woanders geschrieben. Und hier denke ich nicht unbedingt n Kant und das Ding an sich bzw. Wittgensteins Welt, der die Grenzen seines Denkens einbeschrieben sind, sondern an solche immanenten Dinge wie Fake News, Lehrplanänderungen für die Grundschule, die merkwürdige Flüchtlingsdebatte in Deutschland, die an allen "real für mich existierenden" Problemen vorbei diskutiert: Rentensicherung, die Umwandlung der meisten Jobs in algoritmische Betätigungsfelder für KI, damit verbunden die Hinfälligkeit von LKW-, Bus- und Taxi-Fahrern, Lehrpersonen, Verwaltungsbeamten, Pflegekräften, Klowärtern, Straßenreinigern, Bauhofmitarbeitern, Maurern und Handwerkern, Ärzten, Programmiern, politischen Entscheidungsträgern, Polizisten, Juristen, Jobcentermitarbeitern usw. - Wie gesagt: man lese Harari: Homo Deus.
Für mich stellt sich konkret die Frage, was meine Kinder jetzt und später lernen sollen: welcher Beruf wird niemals durch Algoritmen, KI, Roboter, Schwarmintelligenz, statistische Entscheidungen, Datenbanken ersetzt werden. Harari meint: Archäologen. Aber wenn niemand mehr längere Fachtexte am Stück lesen kann oder weiß, wie es sich anfühlt, bei Hitze irgendwo herumzugraben oder langweilige Archivarbeit zu machen: wer schätzt dann noch meine Arbeit und wie erhalte ich Geld hieraus, um selbstbestimmt zu leben?
Harari sieht dieses Szenario tw. schon angebrochen, spätestens in 20-30 Jahren umgesetzt.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (30.10.2018 11:33).