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  • etwasvernunft

mehr als 1000 Beiträge seit 03.09.2012

Selbstverständlich gibt es auch Kosmologien, ...

... die ohne big bang auskommen.

Der entscheidende Unterschied zu Ihrer Argumentation ist, dass sich diese Überlegungen nicht auf die Sprache beziehen, sondern auf Messungen. Eine Theorie ist nur dann vernünftig, wenn sie Phänomene berechnen kann und die so gewonnenen Zahlen mit den entsprechenden Messungen innerhalb der Fehlergrenzen übereinstimmen. Wenn dies nicht der Fall ist, dann war die Theorie falsch oder "überdehnt", d. h. sie ist eine brauchbare Näherung für die Phänomene, für die die Berechnungen auch bisher ausreichend waren. Gegenwärtig ist das bei der Standardtheorie der Elementarteilchen der Fall, wo die Messungen (Higgs Boson) bestens zur Theorie passen, aber in der Astrophysik das Phänomen der Dunklen Materie und der Dunklen Energie Kopfzerbrechen bereitet.

Es gibt allerdings eine tiefere Überlegung zumindest in der Physik. Die Ideen zu einer neuen Theorie, wenn die Messergebnisse oder die Beobachtungen nicht mit der alten in Einklang zu bringen sind, sind ein kreativer Prozess, für den es keine logische Ableitung gibt. Hier spielt sehr wohl die Sprache eine Rolle und auch die jeweilige "Hausphilosophie" des Wissenschaftlers, wie sich an den verschiedenen Überlegungen zur Quantentheorie im vorigen Jahrhundert zeigen ließ.

Mich persönlich enttäuscht es, wenn ich in der Diskussion zu einem Vortrag über Elementarteilchenphysik von einem Japaner, der in Tokio und in den USA lehrt, auf die Frage: "In welcher Sprache denken Sie und Ihre Studenten, wenn Sie über Physik diskutieren" die Antwort erhalte: "Sobald wir über Physik reden, reden und denken wir Englisch". In meinen Augen wird dort die Chance vergeben, in der Ideenfindung auf mögliche andere Gesichtspunkte aufmerksam zu werden.

Das dies nicht trivial ist, sieht man darin, dass der Begriff der Gegenwart im Chinesischen ein völlig anderer ist als im deutschen, Englischen und Französischen: Während er bei uns ein punktuelles Ereignis ist, ist er im Chinesischen eine Menge von Vorgängen, die noch in das Jetzt hineinreichen. Zumindest habe ich einen entsprechenden Vortrag eines Übersetzers entsprechend verstanden.

Oder noch ein Beispiel: Der Zoroastrischen Erfindung der Polarität gut/böse folgend denken wir in sich ausschließenden Gegensatzpaaren, während im Asiatischen diese untrennbar verwoben sind (ying/yang), d. h. immer gleichzeitig vorhanden und ohne ihren Partner nicht denkbar sind. Welche Perspektiven würden sich auftun, wenn unsere Idee der Polarität, die sich in der Physik als ungeheuer nützlich herausgestellt hat, ergänzt würde durch Ideen, die aus einer anderen Denktradition erwachsen. Vielleicht würde manche Unanschaulichkeit der Quantenphysik einfach verschwinden.

Aber auch diese Ideen, zu einer Theorie ausgearbeitet, müssen sich im harten Alltag der Realität stellen und bessere - sprich präzisere - Messergebnisse vorhersagen.

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