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  • notenom

781 Beiträge seit 10.12.2023

Re: Die Geschichtsklitterung von Jeffrey Sachs

Hier meine Fortführung, die eigentlich als Antwort auf einen gesperrten Beitrag gedacht war:

Nach dem Abbruch der Verhandlungen schwenkte Putin eine angebliche vorläufige bilaterale Verhandlungsvereinbarung, die von ukrainischer Seite unterzeichnet worden sei, anlässlich eines Vermittlungsversuches südafrikanischer Staatschefs in Moskau (Juni 2022) kurz vor laufender Kamera: allerdings unlesbar, und auch Unterschriften sind nicht zu erkennen. Erstaunlich, dass Moskau den behaupteten vorläufigen Einigungsvertrag mit der Ukraine vom März 2022 seither nicht im Wortlaut mitsamt den angeblichen Unterschriften publiziert hat.

https://www.youtube.com/watch?v=ksTnXcQqR3o

Stattdessen hat Dawyd Arachamija, der Vorsitzende von Selenskyjs Partei "Sluha narodu" (Diener des Volkes) und Teilnehmer bei den Istanbuler Verhandlungen in einem Fernseh-Interview erklärt, man habe bei jenen Gesprächen dem russischen Angebot, als Gegenleistung für einen definitiven ukrainischen Verzicht auf einen Nato-Beitritt den Angriffskrieg zu beenden, überhaupt kein Vertrauen entgegengebracht. Eine Einflussnahme Johnsons hat die ukrainischer Seite klar dementiert. Ein angebliches vorläufiges Abkommen zwischen Kiew und Moskau konnte Boris Johnson nicht torpedieren, weil es gar keines gab: aus den nicht nur von mir genannten Gründen.

In der ukrainischen Online-Zeitung „Ukrajinska Prawda“ (Roman Romanciuk, From Zelenskyy’s „surrender“ to Putin`s surrender: how the negotiations with Russia are going, www.pravda.com.ua, 5.5.2022.) nennt Roman Romanciuk unter Berufung auf Informationen aus dem engeren Kreis um Selenskyj den entscheidenden Punkt: Die ersten Enthüllungen über russische Kriegsverbrechen wie in Butscha hätten es der Regierung in Kiew nahezu unmöglich gemacht, mit Putin Friedensverhandlungen zu führen. Gleichzeitig habe die Aufdeckung der Grausamkeiten die Zögerlichkeit des Westens bei der Militärhilfe für die Ukraine beendet. Damit hätten sich für die Ukraine andere Perspektiven als die Kapitulation eröffnet. Romanciuk erklärte, Johnson sei lediglich um Rat gefragt worden und habe daraufhin sein Misstrauen gegenüber Putin ausgedrückt, dieser sei ein "Kriegsverbrecher" und "Lügner". Damit hat er der Selenskyj-Regierung -nach Butscha und Irpin - sicherlich nichts Neues erzählt.

Fakt ist: Vom 28.02. bis 17.05.2022 verhandelten die Ukraine und Russland direkt und unter türkischer Vermittlung über einen Waffenstillstand. Russland wollte einen Diktatfrieden sowie die Selbstauflösung ("Entnazifizierung") der Ukraine. Die Ukraine machte weitreichende Kompromissvorschläge. Im Istanbuler Kommuniqué, das Ende März vorgelegt wurde, bot sie Neutralität an, forderte Sicherheitsgarantien und zeigte Bereitschaft, in einem Zeitraum von 15 Jahren über den Status der Krim zu verhandeln.

Was sich allerdings in dieser Zeit änderte: Russland scheiterte mit dem Versuch, die Ukraine militärisch zu überrennen. Nach dem Rückzug aus dem Kiewer Raum wurden im April schreckliche Kriegsverbrechen der Russen aufgedeckt. Diese wiederum führten zu stärkerer Unterstützung der Ukraine durch den Westen. Die Ukraine sah damit bessere Perspektiven als eine weitgehende bedingungslose Kapitulation.

Übrigens: Am Tag der Aufdeckung der Verbrechen von Butscha (3.4.2022) erschien im russischen Staatsmedium RIA Novosti der berüchtigte, den Genozid legitimierende Text: "Was Russland mit der Ukraine tun sollte."

https://de.wikipedia.org/wiki/Was_Russland_mit_der_Ukraine_tun_sollte

Das war VOR Johnsons Besuch.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (26.06.2024 21:47).

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