In einer Situation wie heute sind empirische Studien wohl immer problembehaftet. Damit nicht gesagt, dass die Untersuchung die statistischen Möglichkeiten zweifelsfrei korrekt nutzt (oder es besser ganz sein lässt).
Als Wissenschaftler müsste man hier wohl einräumen, dass die Daten solche Schlussfolgerungen nicht ermöglichen. Allerdings gibt es immer welche, die trotzdem liefern, wenn die Nachfrage nach Ergebnissen gross genug ist.
Meine Antwort war an die Äusserung von Stasi, die mit dem * gekennzeichnete, gerichtet.
Die implizite Behauptung, dass die Wissenschaftler gar nicht nachdenken, halte ich für absurd.
Selbstverständlich ist diese pauschale Behauptung absurd und kann auch nur von jemandem kommen, der halt keinerlei Ahnung vom wissenschaftlichen Geschäft hat. Man könnte einen mehrseitigen Aufsatz darüber schreiben, welche Gruppen von Wissenschaftlern mit welcher Interessenlage es gibt und wieso diese Interessenlage dann auch zu bestimmten Aussagen führt. Aber als roter Faden zieht sich momentan durch alle Corona-Publikationen, dass dies halt ein Thema ist, mit dem man sehr viel Aufmerksamkeit erregen kann (Stichwort "publish or perish") und dass die üblichen fachlichen peer review Mechanismen in einem gewissen Ausmaß außer Kraft gesetzt sind. Ganz abgesehen davon natürlich, dass die weitaus meisten Publikationen, die Aufmerksamkeit erregen, sowieso nie durch einen peer review gelaufen sind, sondern als Preprint irgendwo ins Netz gestellt wurden. Oder sie werden insbesondere im UK in internen Reports des NHS veröffentlicht, bei denen es per se keinen peer review gibt, der seinen Namen auch verdient. In vielen Fällen ist die Vorhersage ziemlich risikolos, dass die Version, die da auf dem Preprint-Server liegt und ein merkliches Rauschen im Blätterwald erzeugt hat, nie irgendwo veröffentlicht werden wird, weil sie den peer review einfach nicht überstehen wird. So was passiert ja auch einem Hr Drosten.
"Die Politik" hat in perfekter Zusammenarbeit mit den "Querdenkern" und vergleichbaren Gruppen das Thema so emotionalisiert und polarisiert, dass jeder Wissenschaftler gezwungen ist, darauf zu achten, dass er nicht als "Querdenker" abgestempelt wird, weil das bei seinen nächsten Forschungsanträgen dann womöglich negative Konsequenzen hat. Dazu kommt, dass insbesondere die Wissenschaftler, die etwas stärker im öffentlichen Rampenlicht stehen, absolut kein Interesse daran haben, eine optimistische Aussage zu treffen ("die Maßnahme x braucht es nicht"), mit der sie dann von "der Politik" über den Marktplatz geprügelt werden. Siehe den Umgang mit der StiKo in den letzten Wochen. Damit erklären sich dann auch manche Aussagen von Ethikkommissionen und Leopoldinas und vergleichbaren Gremien, die erkennbar nach dem Prinzip "cover my ass" und "wir sagen ja nur, entscheiden muss die Politik" verfasst werden. Und natürlich will jeder Wissenschaftler, der es mal in ein solches Gremium geschafft hat, auch gerne darin bleiben, weshalb das Exempel, das der Hr Söder bei seiner Ethikkommission und ihrem missliebigen Mitglied statuiert hat, sicher nicht unbeachtet geblieben ist. Dass eine Ethikkommission, die so etwas mit sich und einem Mitglied machen lässt, ganz offensichtlich keine und daher völlig überflüssig ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber auch Wissenschaftler sind vor Eitelkeit nicht gefeit, eher im Gegenteil.
Soll heißen: ja, momentan läuft einiges schief in der wissenschaftlichen Arbeit zu Corona und insbesondere an ihrer Schnittstelle mit "der Politik", was aber noch lange nicht heißt, dass Wissenschaftler nicht nachdenken oder gar vorsätzlich lügen, wie ja auch gerne unterstellt wird. Nicht alles, was man nicht versteht, ist zwingend eine Lüge -- oftmals liegt das Problem bei einem selbst ...