Ansicht umschalten
Avatar von hdwinkel
  • hdwinkel

mehr als 1000 Beiträge seit 16.06.2012

Wen hassen wir denn?

Sie hassten die russische Regierung, nicht das russische Volk.

Wie auch immer die ukrainische Bevölkerung diese Frage heute beantwortet, stellt diese sich auch für uns.

Ich weiß ja nicht, wie viele Russen die hiesigen Medien und vor allem die dazugehörigen Foren lesen, was werden die wohl über uns denken? Werden sie einen Unterschied finden zwischen der deutschen Sicht auf die Russen im Allgemeinen und der russischen Regierung, was den Krieg anbelangt?
Und wenn man die russische Bevölkerung ins Blickfeld nimmt, wie wird die deutsche Sicht auf sie selbst wahrgenommen? Freundlich? Ablehnend? Feindlich?
Und wie wird die Sichtweise interpretiert? Als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands? Als Zeichen einer generellen Russophobie?

Die Fragestellung, wie einander gesehen wird, ist leider nicht ganz unerheblich, da Russland ja immerhin europäischer Nachbar bleibt, egal wie der Krieg sich entwickelt. Und wenn Raketen stationiert werden, dann ist es vermutlich nicht egal, auf was die gerichtet sind.

Speziell Deutschland wird aus russischer Sicht noch einmal anders betrachtet als z.B. Spanien, vor dem Hintergrund der Geschichte wohl auch nachvollziehbar, wenn ich mir selbst da längst mehr geschichtliche Gelassenheit von Seiten Russlands gewünscht hätte. Irgendwann muss auch mal gut sein mit Militärparaden. Gut, steht uns als Deutsche aber auch nicht zu, darüber zu urteilen.

Mein Verdacht aus deutscher Sicht ist jedenfalls, dass die Verve, mit der der russische Überfall auf die Ukraine verurteilt wird, nicht aus dem Völkerrechtsverstoß herrührt, auch nicht aus Empathie für die ukrainische Bevölkerung, sondern von einem lang abgestandenen Weltbild vom sowieso bösen Russen.
Indizien dafür sind, dass in meiner Wahrnehmung Völkerrechtsverstöße in anderen Teilen der Welt eine weitaus geringere Rolle spielen als im Ukrainekrieg. Es gibt viele Hilfsaktionen für die Ukraine, aber ein verbreitetes Mitgefühl für z.B. die Menschen, die ihr Hab und Gut und allzuoft sogar Angehörige dort verloren haben, verspüre ich hierzulande nicht. Eher kommt in meiner Wahrnehmung rüber, dass die Ukrainer nur als Mittel zum Zweck gesehen werden. Und der besteht vor allem darin, Russland zu schwächen.

Und genau das letztere, also die Schwächung Russlands basiert in meiner Wahrnehmung wiederum auf einem Russlandbild, das nicht erst 2014 oder gar erst 2022 entstanden ist, sondern dass seit dem Kalten Krieg vorrangig in Westdeutschland nie verschwunden war und nur darauf gewartet hat, wieder zum Vorschein zu kommen. In Ostdeutschland ist dieser Trend z.B. gerade nicht zu sehen.

Ich würde mir hier mehr russische Stimmen wünschen, um das heutige Russland besser verstehen zu können. Immerhin richtet sich ein Teil der Hoffnungen für einen zukünftigen gerechten Frieden für die Ukraine auf die russische Bevölkerung.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten