Der 2. Neoliberalismus, den wir seit den späten 70ern bis heute aktuell erleben, hat wohl eher nichts mit dem 1. Neoliberalismus der Freiburger Schule a la Walter Oyken, Schumpeter, etc. zu tun, den man auch Ordo-Liberalismus nannte. Diese schon begriffliche Unsauberkeit, führt in den Diskussionen dazu oft zu vielen Verwirrungen.
Soweit ich das erfasst habe, stand der Ordo-Liberalismus zwar für maximal freie Wirtschaft, aber in einem staatlich streng vorgegebenen Rahmen, Marktregeln - die für alle gleich sind. Ich glaube, diese Situation hatten wir nie. Es ist ein theoretisches Ideal, wie so viele, die wir bisher nie erreicht haben. Ähnlich, wie die allgemeinen Menschenrechte, deren banale Hauptforderung ist: alle Menschen sind Träger gleicher Rechte. Das ist bisher noch immer nur bedrucktes Papier. Entscheidend ist, realisiert sich das auch? Und das tut es auch heute, 200 Jahre nach der Formulierung dieser Rechte, oft nicht.
Womöglich ist Liberalismus, besser maximal liberale Gesellschaften, gar keine Horrorvision? Jeder versteht darunter etwas anderes, daher halte ich die Diskussion darüber noch nicht für beendet. Ein Freund, eher links orientiert, hat sich vor Jahren mal mit John Stuart Mill beschäftigt, und dessen Ideen zu Liberalismus, und ab da sehr befriedend wirkte, wenn wir bei ihm zu Grillparties zusammen kamen. Da treffen links-institutionelle Akademiker, auf AfD-Wähler und Trans-Aktivisten, linke und rechte Habenichtse auf soziale Eigentumswohnungsbesitzer, Erben, Künstler und hart arbeitende Arbeitnehmer, Heteros auf Schwuchteln, da schauckelt sich mit Alkohol schon man was hoch.
Seit er sich mit dem klassischen Liberalismus beschäftigt hat, John Stuart Mill war einer der ersten Frauenrechtler schon um 1810 rum, habe ich ihn fröhlich diese gesellschaftliche Melange diverser Lebenskonzepte und Lebenserfahrungen moderierend, empfunden. Natürlich haben wir, nach wie vor, Differenzen. Aber mir fällt für die gemeinsame positive Entwicklung im Moment, keine bessere Alternative ein, als eine möglichst liberale, auch gern fett kontroverse, aber auch enttabuisierte freie Diskussion ein. Aber das ist natürlich nicht eine Rede pro "Neoliberalismus". Wie ich Eingangs schilderte, gibt es in der Definition schon etwas Unsauberkeit, und setze das normale voraus, das Gesellschaften Regeln haben, an die sich alle zu halten haben. Und das sie das können, ohne sich ständig gegenseitig auf den Sack zu gehen und ihre Freiheit erstickt wird, setzt eine maximal liberale, oder anders formuliert, maximal freiheitliche Denke und gesellschaftliche Ordnung voraus. Das ist nicht gleichbedeutend mit, es gibt gar keine Regeln, und schon gar nicht, die Regeln die es gibt, privilegieren irgend wen - weder Reiche, noch Arme, noch Frauen, noch Männer, nicht Flüchtlinge, noch "hier schon länger Lebende".
Ich habe das Gefühl, über diese Art von Liberalismus wird in dieser ökonomisch geprägten neoliberalen Welt, wenig bis gar nicht mehr nachgedacht?
Wenn als Liberalismus nur noch moderne Schuldknechtschaft, also das "Recht" sich für seine Existenz, seine Lebenserhaltung tot zu arbeiten oder zu verschulden, und Niemand interessiert sich dafür, verstanden wird, oder eben zu sterben, hat man die Idee des Liberalismus, so glaube ich, wohl nicht richtig verstanden. Aber das ist nur meine Idee dazu ...
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (15.05.2022 10:10).