Dabei wäre es generell an der Zeit, die Exklusivität des Inzidenzwertes als Richtschnur der Pandemiebekämpfung aufzugeben. Es kann nämlich schon aus rechtlicher Perspektive nicht überzeugen, wenn zunehmend relevante Kennziffern ausdrücklich keine Beachtung finden.
Dabei ist es gewiss keine epidemiologische Fachfrage, sondern trägt allgemeineren Grundsätzen umfassender Sachverhaltsermittlung Rechnung, dass erst die Betrachtung und Bewertung aller verfügbaren wissenschaftlicher Erkenntnisse, namentlich aller tonangebender Parameter – zu denen auch etwa die Einbeziehung der Teststrategie, des Immunisierungsstatus der Bevölkerung, des Reproduktionswerts, des Impffortschritts sowie der Intensivbettenkapazität zählen – die Tatsachenbasis möglichst präzise abbilden kann, auf derer infektionsschutzrechtliche Ge-/Verbote angeordnet werden.
Man sollte sich bei der Diskussion dieses Punktes "Relevanz des Inzidenzwertes" auch daran erinnern, was wir in den Wochen nach Weihnachten, Neujahr und Ostern erlebt haben. Da hat das RKI als verantwortlicher Ermittler des Inzidenzwertes inklusive seines vorgesetzten Bundesministers ganz öffentlich und offiziell erklärt, dass dem Inzidenzwert nicht zu trauen ist, weil Daten nicht erhoben wurden und/oder erhobene Daten nicht weiter geleitet wurden. Es werden also massive Grundrechtseingriffe auf der Basis von Zahlen angeordnet, denen aber, wie die verantwortliche Bundesbehörde für die Datenqualität erklärt, leider nicht zu trauen ist, weil sie nicht zuverlässig er- und übermittelt werden. Als juristischer Laie stellt man sich da die Frage, wie dies mit den "...allgemeineren Grundsätzen umfassender Sachverhaltsermittlung..." und dem "...Bestimmtheitsgrundsatz im Staatsrecht..." in Übereinstimmung zu bringen ist. Der eine oder andere Autofahrer erinnert sich womöglich auch daran, mit welcher Akribie und Liebe fürs Detail in der Vergangenheit Gerichte aller möglichen Instanzen Fragen der Datenqualität z.B. bei Radarfallen behandelt haben. Was bei Radarfallen möglich war, sollte eigentlich auch bei großflächigen Grundrechtseingriffen möglich sein, nicht?
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (21.04.2021 10:50).