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Avatar von auf_der_hut
  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: Wenn sie noch länger warten, haben sie nichts mehr.

Ohne Truppenrückzug, also unter dem Besatzungsregime der Russen, ist eine Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht nicht möglich. Jedes Referendum unter einem Besatzungsregime, wäre aus guten Gründen nichtig, egal von wem es beobachtet und nach welchen Standards es durchgeführt wird. Wie würde Russland wohl reagieren, wenn z.B. die USA ein Referendum unter allerwestlichsten Standards sagen wir mal ...im früheren Ostpolen oder in Tschetschenien organisieren würden? Nachdem sie vorher vorsichtshalber ein paar Gis geschickt hat (natürlich nur als Freiwillige in deren Urlaub), um die Abstimmung und die Wahlbeobachter zu schützen und für einen geordneten Ablauf zu sorgen?

Abspaltungen werden durch das Völkerrecht nicht geregelt, weil sie eigentlich eine innere Angelegenheit des sich teilenden Staates sind und unter dessen Rechtssystem und Verfassung stattfinden müssen. Der sich abspaltende Staat entsteht i.d.R. ja erst danach. Das Völkerrecht regelt aber nur die Beziehungen zwischen bereits bestehenden Staaten und nur auf diese Situation bezieht sich auch das "Selbstbestimmungsrecht der Völker". Vergleiche dazu das IGH Gutachten zum Kosovo. Weder begründet das Völkerecht ein Recht auf Abspaltung, noch schließt es sie grundsätzlich aus. Frieden ist aber die Voraussetzung, nicht das Ergebnis der Separation. Beispiele wären z.B. die Teilung der Tschechoslowakei oder das (gescheiterte) Referendum der Schotten.

Nach einer Aggression, also als Ergebnis eines zwischenstaatlichen Krieges oder einer Besetzung, sind Separationen aber in jedem Falle rechtswidrig und stellen eine Verletzung der territorialen Integrität dar. Alle Rechtsakte, Referenden usw., die auf eine völkerrechtswidrigen Gewaltanwendung folgen, sind nichtig. Diese Rechtswidrigkeit ist von der UN-Generalversammlung in Bezug auf die Ukraine in etlichen Resolutionen immer wieder erneut festgestellt worden. Weder die UN noch die OSZE wird sich vor den Karren russischer Gebietsansprüche spannen lassen.

Grundsätzlich ist das Völkerrecht auf die Stabilisierung von Staaten und die Unveränderlichkeit ihrer Grenzen ausgerichtet, nicht auf ihren Zerfall. Alle Vielvölkerstaaten (zu denen ja auch Russland zählt), die Probleme mit abspaltungswilligen Minderheiten haben, werden jedenfalls von solchen kreativen Ideen absolut begeistert sein.

so wie es der Westen beim Kosovo gar nicht schnell genug anerkennen konnte.

Zwischen dem Ende des Kosovokrieges 1999 únd der Unabhängigkeitserklärung 2008 vergingen fast 10 Jahre (Krim: 2 Wochen), in denen der Kosovo unter UN-Verwaltung stand. In dieser Zeit entwickelte sich der Kosovo zu einem eigenen Staat, bereits unter den Serben hatten die albanische Mehrheit jahrelang im friedlichen Widerstand, der mit dem Namen Ibrahim Rugova verbunden ist, eine eigene Parallelverwaltung aufgebaut. Albaner wurden von den nationalistischen Serben bis zum Einmarsch der UN-Truppen von allen Staatsämtern ausgeschlossen. Deshalb war die Anerkennung, als die Unabhängigkeit dann endlich erklärt wurde, nur noch Formsache. Serbien legte Widerspruch gegen die Abspaltung ein, das Ergebnis war das schon erwähnte Gutachten des IGH, dass eine Verletzung der serbischen Rechte verneinte. Also rechtlich alles sauber, übrigens auch ohne Referendum.

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