[http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/feuilleton/533698.html]
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Nette, moderne Menschen
In Kopenhagen traten Dänen und Muslime in einen "Dialog" über den
Karikaturenstreit
Arno Widmann
Die junge Dänin nimmt das Mikrofon in die Hand, senkt die Augen,
wirft dann einen langen Blick aufs Podium, und jetzt spricht sie:
"Ich weiß, das klingt dumm, was ich jetzt sagen werde, naiv und
ahnungslos. Aber ich sage es trotzdem. Weil ich es sagen muss. Es
kommt mir aus dem Herzen, und vielleicht wird es Ihnen zu Herzen
gehen. Wir haben jetzt so lange so akademisch gesprochen. Lassen Sie
mich jetzt bitte ganz einfach sagen, was ich sagen möchte. Dänemark
ist ein kleines Land. Ich dachte und die meisten von uns dachten es
auch, wir würden in der Welt geachtet, ja geliebt, weil wir ein
friedliches Land sind, weil wir uns einsetzen, nicht nur für die
Palästinenser, sondern auch für viele Menschen in der Dritten Welt.
Das kleine Dänemark hilft, wo es kann. Ich habe viel im Ausland
gelebt, habe Entwicklungshilfe gemacht, und ich hatte immer den
Eindruck, dass das geschätzt wird, dass wir geachtet werden für die
Rolle, die wir bei der Förderung einer friedlichen Entwicklung der
Welt spielen. Jetzt sehe ich im Fernsehen, wie unsere Fahnen
verbrannt, wie unsere Botschaften angegriffen werden. Soll es denn
wirklich so sein, dass alles, was wir Schönes und Gutes getan haben
und weiterhin tun, weggewischt werden kann mit dem Hinweis auf die
paar Karikaturen? Das geht doch nicht. Das kann ich mir nicht
vorstellen. Das will ich mir nicht vorstellen." Sie blickte hinauf zu
Tareq al-Suweidan, einem Islamgelehrten aus Kuwait, der dort einen
Fernsehsender hat, von dem aus er der arabischen Welt seine Ansichten
mitteilt.
Tareq al-Suweidan gibt sich drei Sätze lang gerührt. Doch dann
wiederholt er das Mantra, das er auf dieser Veranstaltung stereotyp
aufsagt: "Es geht hier nicht um Meinungsfreiheit. Es geht darum, dass
die Gefühle von zwei Milliarden Moslems beleidigt wurden. Das werden
wir nicht hinnehmen, und das müssen wir auch nicht hinnehmen. Beim
Holocaust setzt der Westen der Meinungsfreiheit auch Grenzen. Er kann
es auch beim Propheten, gepriesen sei sein Name, tun. Sie sagen, Sie
hätten mit den Zeichnungen nichts zu tun. Das stimmt. Und wenn Sie
sagen, man dürfe sie nicht bestrafen für etwas, das sie nicht getan
haben, dann argumentieren Sie gut islamisch. Denn das steht auch im
Koran. Aber zwischen den Zeichnungen und den Anschlägen sind Monate
vergangen. Hat ihre Regierung sich entschuldigt? Nein. Sie hat sogar
Gespräche mit den Vertretern islamischer Länder über die Karikaturen
abgelehnt. Das ist eine Demütigung der Muslime. Was denken Sie, wie
wir darauf reagieren sollen? Sie sagen, dass sei ein Fehler der
Regierung, nicht Ihrer. Aber wer hat diese Regierung gewählt? Haben
Sie sie unter Druck gesetzt? Haben Sie sich gegen die Beleidigung des
Propheten gewandt? Wir lieben den Propheten. Wir lassen nicht zu,
dass er beleidigt wird. Wir lieben ihn mehr als wir unsere Kinder,
unsere Familie leben. Das müssen Sie begreifen und akzeptieren."
Das Dänische Institut für Internationale Studien hatte "Jugendliche"
- kaum einer von ihnen unter 25 - aus Dänemark und solche aus
verschiedenen muslimischen Ländern zwei Tage lang zusammengebracht.
Letztere waren von der Organisation "Lifemakers" des ägyptischen
Fernsehpredigers Amr Khaled eingeflogen worden. Der zweite Tag
brachte unter der Leitung eines zum Islam konvertierten dänischen
Botschafters berühmte islamische Prediger mit einem dänischen Bischof
und zwei Professoren auf einem Podium zusammen. Vor ihnen saßen die
"Jugendlichen", stellten Fragen und erzählten, wie gut es sei, dass
sie endlich Muslime kennen gelernt und sich davon hätten überzeugen
können, dass das nette, freundliche, moderne Menschen seien. Sie
hätten jetzt gelernt, dass der Islam eine friedliche Religion und
Mohammed ein Mann des Friedens sei. Einer meinte, er habe nichts
gegen die Karikaturen gehabt, aber sein Freund hier habe ihm
klargemacht, dass er sich durch sie verletzt fühle, und das könne
doch in niemandes Absicht liegen. Jetzt da er wisse, wie verletzend
die Zeichnungen seien, sei er gegen ihre Veröffentlichung.
Tareq al-Suweidan attackierte den jungen Mann. Das stimme nicht. Er
habe sehr wohl gewusst, dass diese Zeichnungen verletzend seien. Es
könne einem nicht entgehen, dass der Prophet, gepriesen sei sein
Name, hier beleidigt würde. Er habe es in Kauf genommen. Erst der
wütende Protest in der islamischen Welt habe ihn jetzt dazu gebracht,
seine Meinung zu ändern.
Ein junger Mann aus dem Publikum stellte die Frage, ob man nicht
Toleranz vor allem als die Fähigkeit definieren müsse, Beleidigungen
hinzunehmen, als die Fähigkeit, über die Beleidigung nachzudenken,
statt zurückzuschlagen. Er bekam keinen Applaus. Auf der ganzen
Tagung fragte niemand die Prediger, wie sie dazu kämen, immer vom
Islam und von den zwei Milliarden Gläubigen und ihren Gefühlen zu
sprechen als handele es sich um klar definierte Größen, als wüssten
sie wirklich, was im Kopf eines jeden Moslems vorgehe.
Kurz vor Schluss trug der Moderator "das Resümee des Panels" vor, in
dem unter anderem die dänische Regierung aufgefordert wurde, die
dänischen Schulbücher zu revidieren und ein positives Bild des
Propheten und des Islam zu vermitteln. "Für wen sprechen Sie?" fragte
da ein Mitglied des Panels? Der Moderator bekam einen roten Kopf.
"Für diese Seite des Panels", antwortete er und zeigte auf die
islamischen Prediger und sich. "Wir hatten noch keine Gelegenheit,
diese Vorschläge mit der anderen Seite zu diskutieren."
Lehrreicher kann man sich eine Veranstaltung "Religiöser und
Kultureller Dialog" nicht vorstellen.
Was hatte Churchill damals gesagt als man überlegte ob man mit Hitler
einen Dialog führen sollte oder nicht?
"Wir hatten die Wahl zwischen Schande und Krieg. Wir haben uns für
die Schande entschieden und doch den Krieg bekommen".
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Nette, moderne Menschen
In Kopenhagen traten Dänen und Muslime in einen "Dialog" über den
Karikaturenstreit
Arno Widmann
Die junge Dänin nimmt das Mikrofon in die Hand, senkt die Augen,
wirft dann einen langen Blick aufs Podium, und jetzt spricht sie:
"Ich weiß, das klingt dumm, was ich jetzt sagen werde, naiv und
ahnungslos. Aber ich sage es trotzdem. Weil ich es sagen muss. Es
kommt mir aus dem Herzen, und vielleicht wird es Ihnen zu Herzen
gehen. Wir haben jetzt so lange so akademisch gesprochen. Lassen Sie
mich jetzt bitte ganz einfach sagen, was ich sagen möchte. Dänemark
ist ein kleines Land. Ich dachte und die meisten von uns dachten es
auch, wir würden in der Welt geachtet, ja geliebt, weil wir ein
friedliches Land sind, weil wir uns einsetzen, nicht nur für die
Palästinenser, sondern auch für viele Menschen in der Dritten Welt.
Das kleine Dänemark hilft, wo es kann. Ich habe viel im Ausland
gelebt, habe Entwicklungshilfe gemacht, und ich hatte immer den
Eindruck, dass das geschätzt wird, dass wir geachtet werden für die
Rolle, die wir bei der Förderung einer friedlichen Entwicklung der
Welt spielen. Jetzt sehe ich im Fernsehen, wie unsere Fahnen
verbrannt, wie unsere Botschaften angegriffen werden. Soll es denn
wirklich so sein, dass alles, was wir Schönes und Gutes getan haben
und weiterhin tun, weggewischt werden kann mit dem Hinweis auf die
paar Karikaturen? Das geht doch nicht. Das kann ich mir nicht
vorstellen. Das will ich mir nicht vorstellen." Sie blickte hinauf zu
Tareq al-Suweidan, einem Islamgelehrten aus Kuwait, der dort einen
Fernsehsender hat, von dem aus er der arabischen Welt seine Ansichten
mitteilt.
Tareq al-Suweidan gibt sich drei Sätze lang gerührt. Doch dann
wiederholt er das Mantra, das er auf dieser Veranstaltung stereotyp
aufsagt: "Es geht hier nicht um Meinungsfreiheit. Es geht darum, dass
die Gefühle von zwei Milliarden Moslems beleidigt wurden. Das werden
wir nicht hinnehmen, und das müssen wir auch nicht hinnehmen. Beim
Holocaust setzt der Westen der Meinungsfreiheit auch Grenzen. Er kann
es auch beim Propheten, gepriesen sei sein Name, tun. Sie sagen, Sie
hätten mit den Zeichnungen nichts zu tun. Das stimmt. Und wenn Sie
sagen, man dürfe sie nicht bestrafen für etwas, das sie nicht getan
haben, dann argumentieren Sie gut islamisch. Denn das steht auch im
Koran. Aber zwischen den Zeichnungen und den Anschlägen sind Monate
vergangen. Hat ihre Regierung sich entschuldigt? Nein. Sie hat sogar
Gespräche mit den Vertretern islamischer Länder über die Karikaturen
abgelehnt. Das ist eine Demütigung der Muslime. Was denken Sie, wie
wir darauf reagieren sollen? Sie sagen, dass sei ein Fehler der
Regierung, nicht Ihrer. Aber wer hat diese Regierung gewählt? Haben
Sie sie unter Druck gesetzt? Haben Sie sich gegen die Beleidigung des
Propheten gewandt? Wir lieben den Propheten. Wir lassen nicht zu,
dass er beleidigt wird. Wir lieben ihn mehr als wir unsere Kinder,
unsere Familie leben. Das müssen Sie begreifen und akzeptieren."
Das Dänische Institut für Internationale Studien hatte "Jugendliche"
- kaum einer von ihnen unter 25 - aus Dänemark und solche aus
verschiedenen muslimischen Ländern zwei Tage lang zusammengebracht.
Letztere waren von der Organisation "Lifemakers" des ägyptischen
Fernsehpredigers Amr Khaled eingeflogen worden. Der zweite Tag
brachte unter der Leitung eines zum Islam konvertierten dänischen
Botschafters berühmte islamische Prediger mit einem dänischen Bischof
und zwei Professoren auf einem Podium zusammen. Vor ihnen saßen die
"Jugendlichen", stellten Fragen und erzählten, wie gut es sei, dass
sie endlich Muslime kennen gelernt und sich davon hätten überzeugen
können, dass das nette, freundliche, moderne Menschen seien. Sie
hätten jetzt gelernt, dass der Islam eine friedliche Religion und
Mohammed ein Mann des Friedens sei. Einer meinte, er habe nichts
gegen die Karikaturen gehabt, aber sein Freund hier habe ihm
klargemacht, dass er sich durch sie verletzt fühle, und das könne
doch in niemandes Absicht liegen. Jetzt da er wisse, wie verletzend
die Zeichnungen seien, sei er gegen ihre Veröffentlichung.
Tareq al-Suweidan attackierte den jungen Mann. Das stimme nicht. Er
habe sehr wohl gewusst, dass diese Zeichnungen verletzend seien. Es
könne einem nicht entgehen, dass der Prophet, gepriesen sei sein
Name, hier beleidigt würde. Er habe es in Kauf genommen. Erst der
wütende Protest in der islamischen Welt habe ihn jetzt dazu gebracht,
seine Meinung zu ändern.
Ein junger Mann aus dem Publikum stellte die Frage, ob man nicht
Toleranz vor allem als die Fähigkeit definieren müsse, Beleidigungen
hinzunehmen, als die Fähigkeit, über die Beleidigung nachzudenken,
statt zurückzuschlagen. Er bekam keinen Applaus. Auf der ganzen
Tagung fragte niemand die Prediger, wie sie dazu kämen, immer vom
Islam und von den zwei Milliarden Gläubigen und ihren Gefühlen zu
sprechen als handele es sich um klar definierte Größen, als wüssten
sie wirklich, was im Kopf eines jeden Moslems vorgehe.
Kurz vor Schluss trug der Moderator "das Resümee des Panels" vor, in
dem unter anderem die dänische Regierung aufgefordert wurde, die
dänischen Schulbücher zu revidieren und ein positives Bild des
Propheten und des Islam zu vermitteln. "Für wen sprechen Sie?" fragte
da ein Mitglied des Panels? Der Moderator bekam einen roten Kopf.
"Für diese Seite des Panels", antwortete er und zeigte auf die
islamischen Prediger und sich. "Wir hatten noch keine Gelegenheit,
diese Vorschläge mit der anderen Seite zu diskutieren."
Lehrreicher kann man sich eine Veranstaltung "Religiöser und
Kultureller Dialog" nicht vorstellen.
Was hatte Churchill damals gesagt als man überlegte ob man mit Hitler
einen Dialog führen sollte oder nicht?
"Wir hatten die Wahl zwischen Schande und Krieg. Wir haben uns für
die Schande entschieden und doch den Krieg bekommen".