Auch der "Schwurbler"-Begriff ist im politischen Diskurs noch recht jung und hat in der Covid-19-Krise eine starke Verbreitung erfahren.
Wir haben das noch nicht systematisch rekonstruiert, aber es zeigen sich Anhaltspunkte dafür, dass der Schwurbler-Begriff innerhalb der letzten 5-6 Jahre aus dem sogenannten ‚Skeptiker‘-Diskurs hinein in den Mainstream diffundiert ist.
Schwurbeln heißt so viel wie Unsinn äußern und wird erst seit einigen Jahren mit dem Vorwurf verknüpft, Verschwörungstheorien zu verbreiten. Wenn solche Begriffe eine Debatte prägen, verschließt sich der Raum inhaltlicher und sachbezogener Argumentation.
Das Geschwurbel ist sehr viel älter und quasi sozusagen die große Schwester des Geschwafel. Geschwafelt wird gerne von Leuten, die nicht begiffs- und definitionssicher sind und keine logische sauberen Argumentationsketten hinbekommen, aber als kompetent wahrgenommen werden wollen. Daher werden in die Rede oder den Text Allgemeinplätze aufgenommen oder Verknüpfungen hergestellt, die für eine wohlwollende Einstellung beim Hörer oder Leser sorgen sollen. Ein schönes Beispiel ist ein Student, der in einer Prüfung einen Begriff nicht verstanden hat, aber mit einem kleinen sprachlichen Ausflug so alles abzugrasen versucht, was der Begriff denn nun sein könne. Im besten Falle fällt der Prof. darauf herein, weil der Student bei seinem Ausflug wirklich in der Nähe der Bedeutung landet und das ganze Drumherum in der Kategorie Ausdrucksschwäche verortet wird.
Das Geschwurbel ist hierbei die bösartige und vorsätzliche Variante, bei dem der Protagonist versucht durch aufgeblasene Begrifflichkeiten, einen Wust an Zitaten und toten Referenzen, den gegenüber in eine unterlegene Position zu bringen, bei dem diesem vom dem ganzen Blendwerk schwindelig wird, so dass dieser die wenigen verständlichen Aussagen als die Quintessenz eines weit überlegenen Geistes begreift.
Das Geschwurbel fühlt sich in den Geisteswissenschaften besonders wohl. Da kann der Autor mit berühmten Namen hantieren, auf deren Schultern er sich einfach stellt und dem Unkundigen gerne eine ganze Schubkarre an Büchern zumuten, die er erst durchzulesen habe, damit er auf Augenhöhe mit dem gelehrigen Autor sei.
Der wesentliche Punkt: Geschwurbel ist immer Müll und in sich selbst falsch und/oder inkosistent. Das wird auch dadurch nicht wahr, dass ggf. eine Grundannahme oder ein Resultat stimmt.
Und die Herren Alan Schink und Michael Anton sind selber Schwurbler vor dem Herrn.
Ein paar Beispiele gefällig?
Journalist Christoph Süß in der politischen Satiresendung quer im Bayerischen Rundfunk
Der gute Mann ist ein Kabarettist und hat keine abschlossene Berufsausbildung.
Der Begriff "Journalist" ist zwar nicht geschützt, aber ich denke nicht, dass Süß sich so selbst bezeichnet.
Also halten wir den wilden Schluss von unseren Autoren einmal fest:
Auch ein Kabarettist in einer Satiresendung ist eine absolute Autorität, Vertrauensperson und Experte, weil der eine Sendung beim ÖR macht.
Da wird die Person Süß in den Himmel gehoben, um damit die Autorität des Senders einreißen zu können.
Wer soll denn zukünftig dort Satire machen? Nurnoch ein Christian Drosten?
Oder soll zukünftig jeder Text erst durch eine Zensur, indem 50 Leute über Risiken und Nebenwirkungen beraten?
Den größten Einfluss auf das, was in modernen Gesellschaften mehrheitlich als "wahr" oder "wirklich" betrachtet wird, haben die Systeme Politik, Medien und Wissenschaft. Wenn eine Verschwörungstheorie in keinem dieser Bereiche kommuniziert und als "wahr" - d. h. als ernstzunehmend oder rational - betrachtet wird, hat sie im Prinzip keine Chance, den Weg zu einer "realen", d. h. gesellschaftlich anerkannten Verschwörung zu schaffen.
Auch herzerfrischend. Wann gilt denn bei unseren Helden eine Verschwörungstheorie als "gesellschaftlich anerkannt"? Wer soll da seinen Willi druntersetzen, damit dieses Kriterium erfüllt ist? So ala Volksabstimmung: "Gibt es Aliens in Area 51?" Aber ja keine Wissenschaftler dranlassen, sonst ist die ja gleich kontaminiert. Auch keine Medien. Aber halt, wie sollen denn die Leute überhaupt wissen, dass es eine Volksabstimmung gibt. Es gibt auch solche Theorien, die so ihren Weg schaffen: "Der Kevin hat den Ratzefummel geklaut!". Ok. Der Nutzwert ist gering und die Gesellschaft überschaubar.
Hannah Arendt spricht von ‚Tatsachenwahrheiten‘. Die andere Ebene ist die der sozialen Wirklichkeit. Hier kommt es vor allem darauf an, wie viele Menschen und welche sozialen Instanzen eine Verschwörung für real halten und welchen Einfluss dies auf eine Gesellschaft hat. In vielen Fällen stimmen die beiden Ebenen nicht überein.
Ein Beispiel: Die Behauptung, dass der Irak im Jahr 2003 über Massenvernichtungswaffen verfügte, ist faktisch falsch, war aber für die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung eine soziale Realität - und ein legitimer Kriegsgrund.
Wahrheit und Realität sind zwei Begriffe, die man doch gerne vewurstet und gängig für seinen Bullshit macht. Einfach einen Gleichgesinnten finden und schon hat man seine eigene Wahrheit und Realität! Ob da auch der Richter folgen wird, dass in der "sozialen Realität" der Diebe das Diebesgut einfach nur herrenlos war oder gar ihr legitimes Eigentum?
Sie wurde vertan. Die Meinungsfreiheit und das Prinzip der Repräsentativität sind eines der höchsten Güter demokratischer Gesellschaften. Wenn immer mehr Menschen den Eindruck haben, dass bestimmte Meinungen aus dem Diskurs ausgeschlossen werden, verliert die Demokratie ihre gesellschaftliche Integrationskraft.
Das Problem ist genau anders herum, die ganzen Schwurbler erzeugen eine Kakophonie, in der jede ernsthafte Auseindersetzung zu ersaufen droht.
In einer gesunden Gesellschaft und im wahren Leben moderiert man solche Spinner einfach ab.
Aber bei uns geht bei den Medien auch nicht mehr um die Information, sondern um Infotaiment. Da jagt man gerne die Sau durch´s Dorf. Je steiler und prokokanter, desto besser. Und damit werden Luftpumpen für viele Bürger, welche den Sachverhalt nicht verstehen oder sich nur am Rande dafür interessieren, zu einem Top-Experten gemacht.
Und damit kommen wir zu einem moralischen Problem unserer heutigen Medienlandschaft:
Früher übernahmen die Journalisten selbstverständlich die Verantwortung für ihre Artikel und deren Inhalt. Wer früher Bullshit produzierte oder den Luftpumpen Raum gab, der hatte seinen Ruf ruiniert und konnte sich einen anderen Job suchen.
Vertrauen war ein sehr wichtiges Gut. Auch für die Leute, welche die Zusammenhänge nicht verstanden.
Heute zählen nurnoch Breitenwirkung und Aufmerksamkeit.
Journalismus auf BILD-Zeitungsniveau: Hauptsache die Klickzahlen stimmen.
Im Zweifelsfall will man ja auch nur einer "kontroversen Person" eine Bühne geben.