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  • JaneBarefeet

237 Beiträge seit 03.01.2022

E. Macron und Ch. Michel werfen ihre Hüte in den Ring

Ich setze mal 'drauf, daß unter einem Artikel, auf dem "Kasachstan" steht, aber Ukraine drin ist, ein update zur Ukraine erlaubt ist, das zugleich ein update zu Genf ist. Aber ich fasse mich kurz.
Hier die Pressekonferenz, um die es geht:
https://youtu.be/uIIAZm4gdCQ
Englische Transkriptionen oder Redeausschnitte werdet ihr unschwer finden.
Zu den Voraussetzungen muß man wissen, daß es das ganze vergangene Jahr hindurch ein zermürbendes Trommelfeuer gegen die "Strategische Initiative" Frankreichs in Richtung eigenständiger EU "Verteidigungs- und Sicherheitsarchitektur", incl. eigenständiger Armee mit dem Vermögen extraterritorialer Machtprojektion gegeben hat, aus allen transatlanten Rohren, voran der NATO selbst, nachgeordnet Van der Leyen und das deutsche Verteidigungsministerium, unterfüttert von dem Netzwerk der DGAP, die schon 2019, wenn nicht früher, begonnen hat, die Machtübernahme einer "rot-grünen" NATO-Regierung in Deutschland zu promoten und vorzubereiten. Namentlich Stoltenberg hat sich dazu einen Tonfall in die Reden diktieren lassen ("Parallelstrukturen" zur NATO stünden "nicht zur Debatte", kämen "nicht in Frage" "Nein, Nein"), der einem Imperator der Europäischen Provinzen angemessen gewesen wäre.
Macron hielt diese Zeit über "low key".

Jetzt stellt er sich hin und nimmt die Genfer Verhandlungen zusammen mit der französischen Ratspräsidentschaft zum Anlaß, sich zu geben, als habe er sich nur mal eine Zeitlang von Stoltenberg unterbrechen lassen, um undercover "alles klar" zu machen, als sei sein Projekt mehr oder minder unumstritten und schon zur Hälfte in warmen Tüchern.
Was von diesem Wortlaut zu halten ist, könnt ihr euch dann ja denken.
Aber es allzu schnell vom Tisch zu wischen, wäre ein schwerer analytischer Fehler, denn der EU-Ratspräsident Michel gibt anschließend einen "Schlüssel", den man schwer überbewerten kann: Es sei ja offenkundig, daß es im Moment im Hinblick auf die europäischen Sicherheitsbedürfnisse und -strategien "tektonische Plattenverschiebungen" gebe, die einen Neuansatz nicht nur rechtfertigen, sondern erforderten.
Und daß dies auch nicht bloß Gerede ist, kann man schon an elementaren Voraussetzungen ablesen, die ich aus dem Gedächtnis zitiere.

Im Sommer letzten Jahres besuchte der US-Kriegsminister Austin die Ukraine und versprach dort vollmundig eine baldigste Aufnahme in die NATO.
Kurze Zeit später bat sein Hauptgesprächspartner, der ukrainische Kriegsminister Andriy Taran, ein Veteran der Armee, des militärischen Geheimdienstes und des diplomatischen Korps vor dem Euromaidan, um Entbindung von seinem Amt, die im November erfolgte. Sein Nachfolger wurde Oleksii Reznikov, schaut selbst, was dieser Winkeladvokat für ein Früchtchen ist. Qualifiziert hatte er sich während seiner Tätigkeit in der Trilateralen Kontaktgruppe mit Veröffentlichungen, die den Minsk2 Prozess nicht nur für "tot", sondern für entbehrlich und der Ersetzung bedürftig deklarierten, nicht zuletzt wegen der Bindung an das "Normandie-Format".
Wenige Tage nach seiner Bestallung reiste er nach Washington ins Pentagon und holte sich dort -- eine Abfuhr.
Austins sommerliche Euphorie hatte im Westen mächtig Wellen geschlagen und nun buchstabierte der Mann seinem Gast den exakten Wortlaut der Stellungnahmen des Weißen Hauses vor: Die Ukraine habe noch einen "langen Weg" vor sich, um sich NATO-tauglich zu machen, insbesondere mit Blick auf die fortdauernde Korruption, ein Seitenhieb, der Rezi besonders sauer aufgestoßen sein muß.

Das ist es, was bei den aktuellen Debatten regelmäßig übersehen und überhört wird:
An den politisch relevanten Adressen steht eine Aufnahme der Ukraine in die NATO auf Jahre hinaus nicht einmal auf einer Tagesordnung und es ist aktuell nicht abzusehen, daß sich das bis Putins möglicher Abdankung beim nächsten Wahltermin ändern könnte.
Für Georgien gilt das natürlich erst recht, angesichts der Situation mit Abchasien und Südossetien.
Die NATO, in Gestalt von Stoltenberg und seinem Büro, hat freilich die letzten zwei Jahre so getan, als wartete man nur auf den Abtritt Frau Merkels, um die Ukraine binnen ein oder höchstens zwei Jahren einzugliedern.
Bis auf die letzten zwei Pressetermine.
Da redete der Jensi nicht mehr von "Hilfe zur Eingliederung", sondern von "Unterstützung bei der Schaffung von Voraussetzungen für den Beitritt".
Ja, auf diese Wording-Unterschiede kommt es an.

Oje, von wegen "kurz" ...

Von diesen Voraussetzungen zurück zu Macron, der jetzt betont, er (Frankreich) werde die Arbeit an einer "Europäischen Sicherheitsarchitektur" fortsetzen, bevor er irgend etwas davon mit den NATO-Partnern innerhalb der NATO (des allies au sein de NATO) oder den "Nachbarn, insbesondere Russland", besprechen wird. Zusammen mit einer ostentativen Betonung des Normandie-Formates und der übergeordneten Bedeutung der Achse Paris-Berlin in diesem Themenbereich, ist das eine sehr deutliche Ansage. Frankreich werde bis zum NATO-Gipfel in Madrid im Juni seine Position von 2008 nicht ändern, damals hatten Frankreich und Deutschland verhindert, daß die NATO im Gefolge des Georgienkrieges der Ukraine eine verbindliche Zusage für einen künftigen NATO-Beitritt machte, sobald dieser gewünscht werde.

Macron verspricht also, alle Mittel zu mobilisieren auf die neue deutsche Regierung einzuwirken, die Subalternität gegenüber den NATO-Generälen aufzugeben. Und dazu hat Frankreich aktuell in der Ratspräsidentschaft kein schlechtes Mittel.
Unter eifrigem Beifall von Charles Michel erklärte Macron, wenngleich nicht in den direkten Worten, die ich wähle, daß der deutsche "Stabilitätspakt" endlich auf den Müll gehöre, zugunsten tragfähiger "Zukunftsinvestitionen", inclusive Neubewaffnung.
Die Wiederauflage des "Stabilitätspaktes" nach seiner Suspendierung im Rahmen der Corona-Ausgaben und -kredite, von D. gewünscht, kann Macron bis zum NATO-Gipfel stumpf blockieren.

Es bewegt sich also eine Menge, obgleich nicht abzusehen ist, auf welcher Strecke und wieviel. Aber für einen blockierenden Knüppel ins Geräder der militärischen NATO-Herrschaft über Europa hat es jetzt schon gereicht, denn dazu hat es aktuell nicht mehr gebraucht, als eine russische Versicherung gegen eine erneute NATO-Operation auf ukrainischem Boden mitsamt zugehöriger Fesseln für polnische, litauische und britische Freischärlertruppen.
Das war nicht schwer vorher zu sehen:
https://www.heise.de/forum/p-40293449/

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (12.01.2022 09:12).

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