Schließlich können sich viele ak-Autoren an die Zeiten Anfang der 1990er Jahre erinnern, als Flüchtlingsunterkünfte wie in Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda oder Mannheim-Schönau von Neonazis angegriffen und in Brand gesetzt wurden, während "besorgte Bürger" nebenstanden und applaudierten.
Zwar steht hier der Begriff des besorgten Bürgers in Anführungszeichen, aber aus seinem aktuellen Kontext in den historischen der Pogrome von Rostock und Hoyerswerda verpflanzt, gibt er seine ganze Funktion preis.
Er soll als spaltendes Instrument jene, die in der Politik offener Grenzen, gängiger, dysfunktionaler Asyl- und Abschiebepraxis und sich verschließenden Parallelgesellschaften, Probleme sehen, und in diesem Sinne also besorgt sind, semantisch in die Nähe von gewaltbereiten Rechtsextremisten rücken, hier sogar mit Beifall klatschenden, menschenverachtenden Schweinen identifiziert werden, die es geil finden, wenn Menschen gehetzt und ausgeräuchert werden.
Es ist ein Mittel, mit dem sich die im Text erwähnte "Merkel-Linke" konstituiert und mit dem sie die Rechte auch größer macht, als sie ist.
Auch ganz im Stil spätkapitalistischen "positive thinkings", wird hier alles abgespalten, dass "zu negativ denkt". Slavoj Zizek schrieb, die Politik der offenen Grenzen sei nichts anderes als postmoderne Beliebigkeit, "Anything goes". Und eben im Sinne dieser populärkulturell unterfütterten, spätkapitalistischen "Eigenverantwortung", verlief dann ja auch die Flüchtlingspolitik.
Der "besorgte Bürger" ist etwas, dass der Willkommensenthusiast von sich abgespalten hat. Problembewusstsein, dass ist für ihn ein Symptom versteckter, rechtsextremer Umtriebe, es sei denn es geht um die rechtsextremen Umtriebe selbst. Da hört er jedoch "hyperbesorgt" förmlich das Gras wachsen und beschwört die unheimliche, rechte Stimmung im Land, das heraufziehende "neue 1933", welches die üblichen Verdächtigen in Rostock, Hoyerswerda oder eben in Chemnitz dann auch gerne nutzen wollen.