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mehr als 1000 Beiträge seit 10.01.2003

Wann verjähren Forderungen zwischen früheren Kriegsgegnern?

Stellen wir mal fest: die europäische Geschichte ist voller Kriege. Jeder schuldet jedem irgendwelche Reparationen und Gebietsabtretungen. Dass wir heute Grenzen haben, wie sie sind, ist sowohl historisch begründet, als auch dem Völkerrecht zu verdanken.

Griechenland und Polen haben eine Sache gemeinsam: sie sind chronisch defizitäre Staaten, die mit dem Geld anderer Gesellschaften ihre Haushalte sanieren wollen. Abgesehen davon sind beide Staaten recht unterschiedlich bezüglich ihrer Forderungen an Deutschland: die Griechen wollen Geld für damals erzwungene Kriegskredite zurück. Da hängt im Grunde nicht viel mehr dran, als dass man das Geld halt haben will. Nur: es gab da mal einen Schuldenschnitt. Außerdem hängt Griechenland schon ewig am Fördertopf der EU, welcher wiederum zu großem Teil von Deutschland gefüllt wird.

Lange Rede, kurzer Sinn: verrechnen wir einfach mal die Fördergelder und den Schuldenschnitt mit den ausstehenden Reparationen und zahlen dann das, was übrig bleiben sollte.
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Im Falle Polens wird es komplizierter - weil Polen formal überhaupt keinen Anspruch auf Reparationen hat. Das liegt u.a. an Beschlüssen aus Zeiten des Sozialismus und der Art und Weise, wie die Verwaltungsgebiete (die früheren deutschen Ostgebiete bzw. Preußen) an Polen gelangt sind. Da gehören diverse Verträge aus der Nachkriegszeit bis zum 4+2-Vertrag zusammen sowie auch die öffentliche Anerkennung der Oder-Neise-Grenze.

Wenn Polen Geld haben will, müssen Verträge aufgerollt werden, die bis in die unmittelbaren Nachkriegsjahre hineinreichen. Das allein wird mehrere Jahre dauern. Damit aufgerollt werden aber auch Themen, die sich mit den Verwaltungsgebieten beschäftigen: nach damalig gültigem Völkerrecht hätten die Grenzen nicht verändern werden dürfen, sondern die Vorkriegsgrenzen wiederherstellen müssen. Das ist bekanntlich während der Besatzungszeit anders verlaufen: nebst der bekannten vier Besatzungszonen und dem geteilten Berlin ging eben der damalige Osten Deutschlands u.a. in die Verwaltungshoheit Polens über. Inzwischen stellt wohl niemand mehr die Frage danach, diese Gebiete wieder an Deutschland zurückzugeben, sondern betrachtet sie als polnisches Staatsgebiet.

Ironischerweise scheint man das aber in Warschau nicht zu berücksichtigen. Wenn sie auf Reparationen bestehen, kann also durchaus die Gebietsfrage wieder auf den Tisch gelegt werden. Dann wird auch in Deutschland die Oder-Neise-Grenze zur Debatte stehen, denn warum soll man ohne rechtliche Grundlage "einfach so" Geld nach Warschau überweisen? Der Krieg ist 78 Jahre vorbei. Wann verfallen Verpflichtungen zwischen Staaten - sofern nicht umfangreiches Vertragswerk alles bereits geregelt hat?

Wenn auch nach 80 Jahren damals rechtlich gültige Verträge heute keinen Bestand mehr haben sollen, weil "unkommod", dann gibt es überhaupt keine Rechtssicherheit von Verträgen zwischen Staaten. Alles kann wieder ausgegraben und Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte zurückliegend aufgerollt werden. Wenn wir findig genug sind, kann Deutschland als Nachfolger des Hlg. Röm. Reiches Deutscher Nationen auch Reparationen von Frankreich für die Napoleonischen Kriege einfordern. Sicherlich kann man noch die Schweden belangen für den 30-Jährigen Krieg. Und wenn wir noch etwas weiter zurückschauen, sind auch mal die Italiener als Nachfolger der Römer dran und müssten Reparationen in Sesterzen abstottern, weil sie ja auch Kriege geführt haben gegen die Germanen.

Die Frage steht also im Raum: wollen die Polen wirklich einen Präzedenzfall nach dem Völkerrecht schaffen und gültige Verträge annulieren lassen auf das Risiko hin, ein Drittel ihres Staatsgebietes zurückgeben zu müssen und, ganz nebenbei, jegliche Rechtsgrundlage zwischenstaatlicher Verträge insbesondere bezüglich der jeweiligen Nachkriegsordnung aufzuheben?
Wollen die das wirklich in Warschau?

Ich bin für "Verjährung" und "lasst es gut sein". Die Alternative, Landrückgabe für Geld erscheint mir wie ein sehr schlechter Tausch: Land währt ewig, Geld nur bis zur nächsten Währungsreform.

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