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776 Beiträge seit 11.10.2004

Mißverstanden

Mit der Ablehnung des israelischen Staates ist mitnichten die
Auflösung desselben gemeint - jedenfalls nicht von meiner Seite. Die
Menschheit ist noch nicht so weit, dass sie ohne Staaten als
Verwaltungseinheiten und gesellschaftlicher Souveräne leben kann (ein
Grund meiner Verachtung ggüber unserer "Gesellschaft" und den meisten
Menschen in ihr), daher wäre eine "Auflösung" Schwachsinn, ganz
besonders im Nahen Osten, wo die Menschen noch viel weniger
transnational (dieser Begriff gefällt mir besser als
"antinationalistisch", ich mag nämlich keine "Anti-"Ausrichtung, da
sie sich nur als Kehrseite, nicht aber als echte Kritik ausmacht)
denken als z.B. in Europa, dass sich von Deutschland ausgehen mit den
negativen Erfahrungen des Nationalstaats auseinandergesetzt hat und
in dem die Nation wenigstens auf wirtschaftlicher und politischer
Ebene transzendiert wird (leider zum Nachteil der meisten Menschen,
aber das ist ein anderes, komplexes Thema).
 Darum geht es also nicht, sondern um eine politische, humanistische
Ablehnung. Ich wäre nicht ehrlich mir selbst ggüber, würde ich den
israelischen Staat, so wie er sich seit 1967 gebührt nicht ablehnen,
genauso wie ich den amerikanischen Staat ablehne, wie er sich seit
1945 gebührt oder den Deutschen, weil er mir z.T. meine freien
Lebensentscheidungen unmöglich macht usw. usf. Diese Ablehnung ist
aber weder Wunsch nach "Auflösung" noch irgendwie mit der
spezifischen Geschichte und Situation der Juden, Amerikaner oder
Deutschen verknüpft. Wenn es um die Geschichte und das Schicksal der
Juden geht, dann bin ich sofort auf der Seite Israels oder besser der
Menschen, der Juden. Darum geht es aber im Nahostkonflikt längst
nicht mehr. Die weltweite Situation für die Juden hat sich
grundlegend gewandelt. Selbst wenn es hier und da noch Antisemitismus
gibt, müssen die Juden kaum noch Angst mehr haben, Opfer
antisemitische Progrome zu werden. Der Antisemitismus im Nahen Osten
ist da was spezielleres und richtet sich eher gegen Israel als Staat,
wie er sich aufführt und weniger gegen die Juden an sich. Dieser
Antisemitismus ließe sich noch (!) auflösen, indem der israelische
Staat sein Verhalten entsprechend ändert, ich befürchte allerdings,
dass wenn dieser Konflikt noch ein oder zwei Generationen länger
dauert, dieser Antisemitismus sich tief in die arabische Kultur
manifestieren könnte und dann vielleicht so immanent sein, wie er in
der christlichen Welt Europas vor 1945 war.
 Meine Position ggüber Israel ist die, dass ich das Land vor allem
wegen der jüdischen Kultur, vor der ich großen Respekt habe, aber
auch anderen, persönlicheren Dingen schätze und gerne mal bereisen
würde, dass ich aber sehe, wie der Staat dieses Landes, das, was ich
so sehr an ihm und der jüdischen Kultur schätze, verdirbt, zerstört
und zu einem Werteverfall des Judentums führt (ich empfehle Dir "Das
Ende des Judentums" von Hajo G. Meyer, habe ich gerade angelesen,
scheint sehr interessant zu sein). Genauso wie der deutsche Staat die
Werte, die durch unser Grundgesetz hochgehalten werden, verwässert
und unterläuft, wie er unseren Wohlstand und die in manchen Regionen
doch größtenteils liberale Einstellung der Deutschen unterwandert und
zerstört, wie er sich auf Kosten seines Volkes bereichert, wie er die
deutsche Zivilgesellschaft bedroht, genauso sehe ich den israelischen
Staat in Bezug auf die Israelis bzw. Juden allgemein, eben bezogen
auf die spezifische Situation Israels, die sicher eine andere ist als
die Deutschlands. Alleine deswegen wäre er schon abzulehnen, aber
hinzu kommen eben noch die zahlreichen andauernden Menschen- und
Völkerrechtsverletzungen, die dieser Staat verübt. Da *muß* ich ihn
dann ablehnen.

Aber Israel könnte auch einen anderen Staat haben, das liegt an den
Israelis selbst. Meine Hoffnung ist, dass der Irrsinn der
israelischen Holzhammermethode den Israelis dieses mal klar wird und
sich die Zivilgesellschaft beginnt dagegen zu wehren. Immerhin ist
Israel eine Demokratie, da ist das Volk eigentlich der Souverän, also
schaumermal...

Gruß vom Peterle
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