Fragt euch doch mal, was für ein Bewußtsein vom Bewußtsein Stephan Schleim hat, indem er von ihm als einem rätselhaften "Ees" (= es) spricht: Es sei ein Rätsel.
Erster Schritt:
In dieser Aussage figuriert "Bewußtsein" als ein Oberbegriff, fungiert aber nicht als ein Solcher!
Auch sogenannte Oberbegriffe, die zweckmäßig gebildete Ordungsbegriffe darstellen, wie zum Beispiel "Bauhandwerk", oder - abseits der Kladistik im eigentlichen Sinne, die einen anderen Inhalt hat - "Säugetiere", sind dazu da, eine Gliederung der Unterbegriffe nach spezifischen Differenzen zu schaffen. Genau davon nimmt die Bestimmung "Rätsel" für "Bewußtsein" Abstand. Sie macht "Bewußtsein" zur reinen Tautologie: Jedes einzelne Bewußtsein - egal ob es einem bestimmten Zustand oder formal einem "Individuum" zugeordnet wird, letzteres hieß früher mal "Geist" - ist dasselbe: Ein Rätsel.
Ich will diesen Schritt schon mit einem halben weiteren Schritt überziehen. Jeder Leser des Artikels merkt, und soll merken, daß diese begriffliche Eigentümlichkeit eine schlichte Lüge beinhaltet: Schleims Aufmerksamkeit gilt einer iwie (!) abweichenden Phänomenologie von "Bewußtsein" namens "psychische Störung".
Zweiter Schritt.
Wie immer bei mir dialektisch, d.h. einen halben Schritt zurück: Nehmen wir die Schleim'sche Tautologie von "Bewußtsein" und "Einzelbewußtsein" doch mal, wie sie ist, wörtlich ernst.
Dann wäre "Bewußtsein" nach Schleim dasselbe, wie ein beliebiges Einzelbewußtsein, also präzise das, was die Mediziner nach einschlägigen Kriterien absortieren mit: Der Patient zeigt sich wach und orientiert.
Danach kann man ihn befragen, oder auffordern, etwas zu tun. Er wird antworten (oder auch schweigen), tun, was ihm gesagt wird, oder auch nicht tun, was ihm gesagt wird, oder etwas anderes, vielleicht Unerwartetes tun.
Seht ihr da irgendein "Bewußtseinsrätsel"? Nee, nech? In alledem zeigt sich der Patient - oder "Patient" - "bei Bewußtsein" und dies Bewußtsein ist in dem, was er sagt und dem, was er tut, bestimmt.
Dritter Schritt
Schleims Verrätselung von "Bewußtsein" besteht folglich in erster Instanz vollumfänglich darin, daß er prinzipiell nicht gelten lassen will, was das Tun, einschließlich Sprechen, eines Menschen an Bestimmungen über sein Bewußtsein liefert.
Und das enthält nicht nur eine Lüge, es IST vollumfänglich eine (Selbst-)Lüge, denn Herr Schleim will halt als Bestimmung nicht gelten lassen, was die Pathologen zum Maßstab nehmen, die Anwesenheit oder Abwesenheit von Hirnströmen. Was ich ihm nicht ankreide, im Gegenteil, aber infolgedessen bleibt ihm ausschließlich die Tätigkeit eines bewußten Individuums als Auskunftsquelle über dessen "Bewußtsein".
Vierter Schritt
Schleims Gegenstand ist folglich nicht "Bewußtsein", sondern Unterschiede der Erscheinungsformen desselben.
Der "Patient" kann zum Beispiel auf eine bestimmte Frage mit einer wahren oder falschen Aussage antworten. Ein Rätsel kann daraus niemand konstruieren, einfach deshalb nicht, weil die Kritieren der Differenz als nicht rätselhaft unterstellt sind: Was "wahr" und was "falsch" sei, ist in der Differenz unterstellt.
Ein "Problem", ein "Rätsel" kann folglich aus diesem oder anderen Phänomenen nur verfertigen, wer sich die Frage stellt: Wie isses denn nur mööchlich?! Daß jemand lügt (oder die Wahrheit sagt), Fehler macht, sich irrt, oder IRGENDWAS mental tut, was auch anders getan werden könnte.
Schleims Problem, das er zum Anlaß einer Verrätselung nimmt, ist, wie bei der ganzen Zunft der Psychoklemptner, abweichendes Verhalten.
Fünfter Schritt.
Ich will Herrn Schleim hier aber höchstens nebenbei dafür an den Karren fahren, daß er ein zünftiges Problem der öffentlichen Ordnung wälzt ... und verrätselt.
Mir kommt es hier auf die Instanz an, auf die er sich in der Art und Weise beruft, wie er das tut.
Das ist - im Unterschied zu anderen seiner Zunft - nicht Moral, nicht eine öffentliche Ordnung, es ist auch bloß nachgeordnet eine Berufung auf individuelles Leiden unter Abweichungen des Bewußtseins im Spiel; Schleims oberste Instanz, auf welche er zugleich jeden gutwilligen Leser verweist, heißt Selbstbewußtsein.
Dies ist die Urteilsinstanz, die differente Bewußtseinsphänomene und -zustände überhaupt erst identifiziert. Und verrätselt oder auch nicht verrätselt.
Sechster Schritt.
Die systemische Verlogenheit der Schleim'schen Schrift kommt mithin darin zum Ausdruck, daß er "Bewußtsein" fälschlich zum gegenständlichen Oberbegriff deklariert, obwohl sein Thema und eigentlicher Gegenstand Selbstbewußtsein ist.
Tatsächlich ist "Selbstbewußtsein" für jeden, der sich mit mentalen Phänomenen beschäftigt, der Oberbegriff, der verschiedene und individuelle, freilich auch gehäuft oder gar "kollektiv" auftretende, Erscheinungsformen von Bewußtsein zu Unterbegriffen hat.
Schleim aber eskamotiert das Selbstbewußtsein hinweg, es kommt bei ihm nur in einer einzelnen Gestalt vor: Dem Schleim'schen Selbstbewußtsein ...