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741 Beiträge seit 15.07.2016

Re: Wir unterwerfen uns gläubig dem technischen Fortschritt

sennahoj schrieb am 08.01.2021 17:25:

abab schrieb am 08.01.2021 16:55:

Wir Menschen haben uns im großen Stil zu Anhängsel der Technik gemacht - sowohl bei der "Arbeit" als auch in der "Freizeit".

Ja ganz ohne Frage.
Wir Menschen haben uns zu einem Anhängsel der Technik gemacht?
Oder ist das vielleicht auch einfach nur eine Art von Symbiose?
Oder, solange Technik nicht einen eigenen, sich gegen uns richtenden Willen hat, sind wir wohl möglich auch nur in der selben Weise von ihr abhängig geworden, wie eine Schnecke von ihrem Häuschen.
Wo aber ist dabei nun der Aspekt der Sklaverei?
Was hält den jeweils einzelnen Menschen davon ab, sich an irgendeinen zivilisationsfernen Ort auf der Erde zu begeben und dort weitgehend technikfrei sein, dann vermutlich aber nur noch recht kurzes Restleben zu verbringen?
Klar das ist keine Möglichkeit für die sich alle gleichzeitig entscheiden können.
Aber das ist bei fast allen Freiheiten wohl der Fall.
Sklaverei allerdings impliziert eine fremdbestimmte Unfreiheit.
Und der Begriff Sklaverei ist nicht anwendbar bei Selbstunterwerfung, oder sollte man vielleicht zutreffender sagen, Anpassung an irgendwelche aktuell vorgefundenen Lebensbedingungen?
Das ist mein Punkt, ich erkenne nicht die Ausübung von Gewalt in dem Prozess hin zu einer immer weitergehenden Abhängigkeit des Menschen von der Technik.
Vor allem weil der Mensch gerade aufgrund seiner Abhängigkeit von Werkzeugen, also Technik seit mehr als hunderttausend Jahren eine perfekte evolutionäre Kariere gemacht hat.
Wir sollten also eher darüber nachdenken, wie wir diesen Erfolg nun weiter fortsetzen können, als darüber zu lamentieren, dass wir Sklaven der Technik sind.
Wer sich als Sklave der Technik fühlt, der hat sich hoffentlich schon mal von der Tyrannei seines Smartphons befreit.

Wo anfangen? Mein Standpunkt gründet sich auf dem dualistischen Verhältnis Freiheit und Notwendigkeit, im weiteren Geist und Natur. Daher sehe ich in dem Verhältnis Mensch und Technik keine Symbiose im Sinne einer Zweckbeziehung. Technik sehe ich ausschließlich als Mittel, dem Menschen unterstellt. Der Zweck ist die Fülle des Lebens, die Verwirklichung der Gemeinschaft von Persönlichkeiten, primär realisiert durch Wahrheit, Liebe und geistig-innerliche Freiheit. Das ist das Gegenteil von dem, was in unserer kapitalistisch orientierten Zivilisation derzeit stattfindet: ausartender Individualismus, Vereinzelung, kommunikativ-äußerliche Gesellschaftsbeziehung, vorrangig, primär realisiert durch Zeichen, Gesetz, durch die Notwendigkeit, durch Macht und Gewalt.
Symbiose in diesem Fall würde bedeuten, das der zu verwirklichende Erstanspruch des Menschen als höchste eben-bildliche, schöpferisch-dynamische (nicht statische), existentielle Idee bzw. Gestalt des Göttlichen im Menschen sich einem bloßen Mittel andienen müßte und dieses selber zum (Selbst-) Zwecke erhöbe. Das läuft der Würde des Menschen zuwider.
Da fängt dann auch die Sklaverei an: Wir erheben im Lügenverhältnis bloße Mittel zu Zwecken, die dann Macht über uns gewinnen und schließlich ausüben, weil wir uns sklavisch und vor allem sinnentfremdet bzw. sinnlos zu diesen verhalten, diesen unterordnen und den Zwecken gar totalitäre Ansprüche verleihen, zugestehen (auch der Ökonomie). Die Selbstentfremdung des Menschen führt dazu. Sklaverei ist eine nicht nur äußerliche, sondern auch durch einen innerlich irregeleiteten, sklavisch-außen-orientierten Geist hervorgebrachte. Des Menschen angstbesetzte Desorientiertheit hält den Menschen davon ab, diesen Sklavenzustand beseitigen zu wollen. Potentiell-grundlegend ist der Mensch dazu jedoch in der Lage.
Nicht die Technik unterwirft an sich, sie ist neutral, sondern des Menschen technikgläubiger Geist (Form der messianischen Hoffnung) zwingt ihn in die Abhängigkeit. Und bei einem bestimmten quantitativ-qualitativen Entwicklungsgrad und entsprechender Ausrichtung ist der Mensch auch direkt den Forderungen der Technik unterworfen, um seine Lebensgrundlagen absichern zu können. Ganz besonders zwingend wirkt hier auch die Bevölkerungsexplosion im industriellen Zeitalter, welche vor allem auch durch dieses hervorgebracht wurde. Und gerade der Kapitalismus ist die "Urmutter" des zivilisatorischen Technikwahns. Wir können heutzutage gar nicht mal so auf die schnelle der Technik Herr werden. Die monströsen Technikkreisläufe zwingen uns allenthalben. Die Zeit rennt uns davon auch angesichts unserer Technikfixierung: Die Lösungen für die Probleme suchen wir so immer wieder und nur in einer immer höher entwickelten Technik usw. usf.
Der einzige Erfolg bestände also darin, der wahrhaften, auf Würde des Menschen beruhenden Ethik zum Erstgeburtsrecht zu verhelfen und ihr unter anderem die Technik unterzuordnen, zu unterwerfen.

PS:
Zumindest konnte ich bisher dem Smartphone (gerne) widerstehen. ;-) Aber vielleicht werde auch ich bald gezwungen sein, mir eines anzuschaffen.

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