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mehr als 1000 Beiträge seit 02.02.2011

Glosse?

Zitat Kennedy (aus dem Artikel):

Ich spreche vom Frieden als dem notwendigen, vernünftigen Ziel rationaler Menschen. Mir ist klar, dass das Streben nach Frieden nicht so dramatisch ist wie das Streben nach Krieg – und häufig stoßen die Worte der Friedensmahner auf taube Ohren. Aber wir haben keine dringendere Aufgabe.

Auch wenn seit 1963 bis 2023 ein paar Jährchen vergangen sind und die 60er Jahre eine Zeit mitten im kalten Krieg war, in der zudem Atomtests als Spektakel an der Tagesordnung waren, könnte man fast schon vergessen weshalb solche alten Zitate überhaupt wieder hervorgekramt werden.
Bitte nicht falsch verstehen, die Rede war klasse. Im Grunde zeitlos und es stimmt leider, daß der Mensch das Wesentliche stets zu vergessen scheint.
Noch mal Kennedy (aus dem Artikel):

Ich spreche von echtem Frieden, der Art von Frieden, die das Leben auf der Erde lebenswert macht, der Art, die es Menschen und Nationen ermöglicht, zu wachsen, zu hoffen und ein besseres Leben für ihre Kinder aufzubauen – nicht nur Frieden für Amerikaner, sondern Frieden für alle Männer und Frauen – nicht nur Frieden in unserer Zeit, sondern Frieden für alle Zeit.

Tja, was ist davon 60 Jahre später zu sehen?

Wenn man bedenkt, daß die Sowjetunion und die USA zusammen für 85% aller durchgeführten Atomwaffentests auf diesem Planeten verantwortlich sind und die Sowjetunion mit der AN602 (Zar-Bombe) sogar
die größte jemals von Menschen verursachte Explosion erzeugte, erscheinen solche Reden in meinen Augen wieder in einem anderen Licht.

In den 50er Jahren noch munter Atomwaffen rumschmeißen wie der Prinz Kamelle im Karnevalszoch, um dann zu merken (Kuba Krise), daß es auch schief gehen kann zeugt erst mal davon Erkenntnis erlangt zu haben. Ich für meinen Teil halte Kennedy in dem Punkt auch für authentisch und kaufe ihm seine Rede auch ab. So weit, so gut… nur was nutzt uns das heute? Ein Kim Jong-Un zum Beispiel hat vor 20 Jahren den Atomwaffensperrvertrag gekündigt und testet seitdem fröhlich seine Atomwaffen (bzw. die Trägerraketen) und provoziert unnötig die ganze Welt. Gleichzeitig hungert das Volk und lebt in einer Art grotesken Truman Show. Sind das auch die USA schuld? Hätten die auf den Diktator mehr eingehen sollen?

—> Und spätestens jetzt offenbart sich der gravierende Denkfehler der Autoren dieses Artikels:

Zitat Autoren:

Unserer Ansicht nach ist Kennedys Rede ein wichtiges Indiz dafür, wie weit sich die von Demokraten gebildeten Regierungen in den Jahrzehnten seit Kennedys Rede in die falsche Richtung bewegt haben.

Was bedeutet denn „falsch“ in Verbindung mit „von Demokraten gebildeten Regierungen“? Im Klartext heisst das nämlich, die Autoren respektieren nicht die Richtung, die durch freie Bürger, in freien Wahlen demokratisch gewählten Regierungen, vorgegeben wurden. Damit im Hinterkopf sei noch mal Kennedy zitiert:

Ich spreche vom Frieden als dem notwendigen, vernünftigen Ziel rationaler Menschen

Exakt! Und ein Diktator kann so nun mal nicht an der Macht bleiben. Die Autoren beschreiben im Grunde genau solche Länder, deren Staatsoberhaupt seine Macht i.d.R. durch Gewalt behauptet.

Zitat Kennedy:

Und wenn wir schon unsere Differenzen nicht überwinden können, so können wir wenigstens dazu beitragen, die Welt für die Vielfalt sicher zu machen.

Genau das verläuft nun mal sehr einseitig im Zusammenhang mit dem Russland-Krieg. Russland ist zwar offiziell eine föderale Republik, aber wenn wir ehrlich sind wäre Autokratie mit despotischen Zügen fast schon freundlich formuliert.

Natürlich ist auch eine Demokratie kein Selbstläufer. Besonders und gerade die USA mit ihren 330 Millionen Einwohnern und der riesigen Fläche haben es da nicht leicht das Volk sozusagen bei Laune zu halten. Da hat es der Autokrat/Diktator natürlich wesentlich leichter, denn er muss sich keinen Wahlen stellen und in ihm sind zudem sämtliche Rechte und die politische Macht als Solches vereint.
Um ein so großes Land mit einer solchen Vielfalt demokratisch zu „kontrollieren“ müssen dabei nun mal auch auf uns eher befremdlich wirkende Dinge (da aberzogen), wie Patriotismus oder auch ein Stück weit Egoismus zum Tragen kommen. Der Hispanic ist ein Hispanic, der Schwarze ein Schwarzer und der aus Asien eingewanderte ein Asiate. Aber wenn es hart auf hart kommt, dann sind es alle „Americans“.

Besonders tragisch nach den Ereignissen des 11.09.2001(*) zu beobachten. Das gesamte Volk stand geschlossen für eine Zeit hinter den Entscheidungen der Regierenden (in dem Fall auch noch ausgerechnet George W. Bush), die Opposition hielt ebenfalls still.
Im Grunde hatte George W. Bush (überspitzt gesagt) für einen Zeitraum in gewissem Sinne eine Art Diktatorlizenz.
Daß der darauf folgende „War On Terror“ völlig drüber war und ein durch nichts zu rechtfertigender völkerrechtswidriger Krieg war ist -denke ich- unbestritten. In meinen Augen war es zudem auch ein Stück weit ein brutaler Rachefeldzug. Siehe in dem Zusammenhang aus Kennedys Rede: Weit weg von „vernünftig“ und „rational“.

Zitat Autoren:

Eine solche Denkweise in Bezug auf den derzeitigen russischen Gegner ist in den Korridoren der Macht in Joe Bidens Washington nicht mehr anzutreffen.

Falsch! Russland ist NICHT der Gegner Washingtons und die heutige Denkweise versucht eher genau wie Kennedy Frieden als Ziel rationaler Menschen zu verstehen. Zudem hat Russland völlig irrational und ohne Grund ihr eigenes Nachbarland angegriffen, welches gleichzeitig sogar das Land geliebter Brüder und Schwestern war. Das gleiche Land also, das Dmitri Anatoljewitsch Medwedew platt machen möchte. Russlands Gegner ist die Ukraine. Das haben die mit ihrem brutalen Einmarsch eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Bei aller Liebe, aber in dem Zusammenhang im gleichen Atemzug Kennedys Rede heranzuziehen und inhaltlich zu verdrehen ist nicht nur ziemlich dämlich, sondern auch äußerst schäbig.

—> Und damit komme ich auch zu der Person, die eher in den Fokus gerückt werden sollte. Nämlich zu Wladimir Wladimirowitsch Putin, der auch mal eine sehr schöne Rede gehalten hatte, die gleichzeitig besonders hier in Deutschland für Begeisterung gesorgt hatte. Ich meine, man könnte sogar ein bißchen Kennedy herauslesen. (*)Jedenfalls sollte man beim Lesen im Hinterkopf behalten, daß Putin die Rede kurz nach den Anschlägen von 9/11 hielt und natürlich auch darauf in seiner Rede einging.
Aber lest selbst:
https://www.bundestag.de/parlament/geschichte/gastredner/putin/putin_wort-244966

Zitat Putin (unter anderem):

Solche Trennungslinien bleiben aber erhalten, und zwar deswegen, weil wir uns bis jetzt noch nicht endgültig von vielen Stereotypen und ideologischen Klischees des Kalten Krieges befreit haben.
Heute müssen wir mit Bestimmtheit und endgültig erklären: Der Kalte Krieg ist vorbei.

Lol! Um es mit den Worten der Autoren in leicht abgewandelter Form zu sagen:

Meiner Ansicht nach ist Putins Rede ein wichtiges Indiz dafür, wie weit sich die gebildete Regierung in den Jahrzehnten seit Putins Rede in die falsche Richtung bewegt hat

Abschließend:

Zitat Autoren:

(…) da die US-Regierung die von ihr gesetzten roten Linien ignoriert und den Falken folgt, während sie der Entsendung von F-16-Kampfjets in die Ukraine zustimmt.

Naja, abwarten. Zum Einen sind das ja nicht die USA alleine. Ich meine da sind die ehemaligen „Ostblockstaaten“ eher scharf drauf.
Aber es ist völlig richtig: Eine Eskalation kann niemand wollen. Putin hat jederzeit die Mögkichkeit diese Spirale zu stoppen. JEDERZEIT! Er ist es, der weder vernünftig noch rational einen Frieden als Ziel zu haben scheint. Und in Anbetracht der Tatsache, daß Russland offenbar alle Zeit der Welt hat diesen Krieg noch über Jahre hinzuziehen und Putin zudem keinerlei Anstalten macht sich an den Verhandlungstisch zu setzen (wie der chinesische Gesandte ja auch bestätigte), könnte ein zusätzliches Argument in Form von Kampfflugzeugen unter Umständen helfen Russland zu überzeugen daß Frieden für alle die bessere Wahl ist! Ja, ich finde das auch scheiße, aber anscheinend versteht Putin keine andere Sprache und Kennedy hatte übrigens in seiner Rede von „echtem Frieden“ gesprochen.

In diesem Sinne, Baxter
—————————————
P.S.: Und bevor wieder einer das Liedchen von der NATO und rote Linien und so trällert, hier noch mal zur Erinnerung:

https://wikileaks.org/plusd/cables/08MOSCOW265_a.html

Die NATO war sich der Situation natürlich sehr wohl bewusst. Ebenso wussten die ganz genau, daß Putin das Thema für sich ausschlachtet:
It is also politically popular to paint the U.S. and NATO as Russia's adversaries and to use NATO's outreach to Ukraine and Georgia as a means of generating support from Russian nationalists.“

Nein, es bestand kein Grund für Putin sich von der NATO bedroht zu fühlen, wie er seinem Volk ständig verkauft. Ebensowenig musste er sämtliche Verträge/ Abmachungen/ Vereinbarungen mit Füßen treten und aufkündigen.
Ich bin der persönlichen Meinung, Putin hat sich übelst verzockt (und wurde ggf. zudem noch schlecht beraten) und findet den Ausgang nicht…. Zum Leidwesen ALLER!

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