Ich nehme mal ein Feld-Wald-und-Wiesen-Teil her, z.B. einen 74er-Baustein. Die gibt es in mindestens zwei Varianten, z.B. den für's Militär bestimmten 54er, der einen breiteren Temperaturbereich kennt. Die beiden Bausteine sind funktional identische vier zweifache-NAND Gatter.
Consumer Rating (z.B. SN7401):
Min. Operating Temperature: 0°C
Max. Operating Temperature: 70°C
Military Rating (z.B. SN5401):
Min. Operating Temperature: -55°C
Max. Operating Temperature: 125°C
Es gibt aber auch noch ein Industrial Rating, was zwischen den beiden o.g. Dingen liegt. Hinzu kommen aber auch bestimmte Features, z.B. EM-Härtung, die es nur für Militärchips gibt, nicht aber für Consumer-Schaltkreise.
Natürlich kann man nahezu jeden Microcontroller nehmen und für eigene Anwendungen neu programmieren. "Dual Use" ist also kein Hoax: aus dem Microcontroller, der eine Waschmaschine steuert, kann man, wenn die Verarbeitungsgeschwindigkeit genügend hoch ist und genügend I/O-Pins (analog, digital) zur Verfügung stehen, auch ein Waffensystem kontrollieren. Das ist ja u.a. der Reiz an Einplatinen-Rechnern bzw. Bastel-Systemen wie dem Arduino: man kann damit alles bauen, vom Wecker bis zur Robotersteuerung ist alles drin. Leistungsstärkere Controller lassen sich auch entsprechend nutzen.
Aber: wenn sie nur Consumer-Specs haben, dann sind sie für's Militär nicht ausreichend. Und gerade die Russen müssen auf thermisch robuste Elektronik setzen, wenn sie sowohl in der Tundra eingesetzt wird, als auch in wüstenartigen Gebieten. So ein Panzer wird im Betrieb auch noch warm, also ist durchaus denkbar, dass der MilSpec-Temperaturbereich auch ausgeschöpft wird. Da kommt man mit einem Chip aus der Waschmaschine, der vielleicht nach oben hin etwas robuster ausgelegt ist (z.B. 0 - 80°) nicht weit.
Aber nochmal Hand auf's Herz: warum glauben wir ernsthaft, die russischen Militärs müssen Haushaltsgeräte plündern, um Panzer bauen zu können? Ist das nicht viel glaubhafter, dass die Russen, die ja u.a. den Transistor zur Industriereife gebracht haben und zu Sowjetzeiten bereits ICs herstellen konnten, nicht auch noch Zugriff haben auf die gute alte Taiga-Technik aus den 80er und 90ern? Die müssen doch keine ICs in 5nm-Technik fertigen, für's Militär reicht ein 20 Jahre alter Standard aus. Damals hat man noch in Mikrometern gefertigt. Wir mögen da vielleicht drüber milde lächeln, aber wenn es um Robustheit und Zuverlässigkeit geht, greift das Militär lieber auf ältere Technik zurück. Solange es funktioniert und die Anforderungen erfüllt, warum neu erfinden?
Und die Russen tun genau das. Sie bauen einfach neue ICs mit alter Technik. Was sie selber nicht herstellen können, bekommen sie eben von den Chinesen. Da lächeln wir ja auch drüber, dass deren modernste Prozessoren "gerade erst auf dem Niveau von 2015 angelangt sind". Für den High-Performance-Gamer ist das nix. Aber Büro-Rechner und Multimedia-PCs kann man durchaus mit einem solchen Rechner zufriedenstellend herstellen. Und dann reicht es auch allemal für's Militär ...
Also, wirklich. Warum wollen wir das Märchen vom T80 glauben, der mit Waschmaschinen-Chips läuft?