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  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: Kosovo, Krim, Donezk und Luhansk

Im Kosovo gab es eine klare Unterdrückung der Mehrheit (Albaner ca. 90% der Bevölkerung) durch die serbische Minderheit. Albaner durften z.B. nicht in den Staatsdienst. Es gab seit Jahren zivilen Widerstand gegen diese Unterdrückung und quasi eine Parallelverwaltung der Albaner. Der Kosovo war ein ethnisch gespaltenes Land und ist es bis heute.

Davon kann weder auf der Krim noch im Donbass die Rede sein, weder was die Mehrheitsverhältnisse noch was die Unterdrückung angeht. Jahrzehntelang spielte die ethnische Zugehörigkeit dort überhaupt keine Rolle. Eine (knappe) russische Mehrheit gibt bzw. gab es nur auf der Krim.

Sicherlich hat die Ukraine versucht, den russischen Einfluss in der Ukraine zurückzudrängen und insbesondere die russischsprachigen Staats-) Medien eingeschränkt. Umgekehrt sind die Ukrainer in den besetzten Gebieten aber quasi zu Ausländern im eigenen Land geworden, die massiv in ihren Rechten und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, wenn sie sich weigern, Russen zu werden. Die Unterdrückung ist also schlimmer als vorher, nur eben andersherum. Selbst wenn die Referenden in den annektierten Gebieten fair und nach demokratischen Standards abgelaufen wären (was nicht der Fall ist), bleibt es ein fragwürdiges Konzept, durch die Verschiebung von Grenzen irreversibel die Unterdrückung von Minderheiten durch die Mehrheit festzuschreiben.

Das gilt natürlich formal auch für den Kosovo, aber der Fall liegt schon deutlich anders. Alle Versuche, Albaner und Serben in einem Staat zu zwingen sind gescheitert. Die Trennung war schon ein Faktum, bevor sie offiziell verkündet wurde. Das ist eher mit der Unabhängigkeit einer Kolonie vom Mutterland und dem Übergang der Regierungsgewalt an eine lokale Befreiungsbewegung zu vergleichen.

Das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" ist, wenn es so missbraucht wird, wie Russland das hier vormacht, ein Mittel der Unterdrückung und Einmischung anstelle der Befreiung und Befriedung. Es läuft dem eigentlichen Sinn, nämlich allen Bürgern ohne Diskriminierung möglichst weitgehende Rechte gegenüber dem Staat zu garantieren, diametral entgegen. Durch die Annexionen haben nur noch die Russen Rechte und auch für die sind die durch den Übergang von einer Demokratie in eine Autokratie insgesamt nicht besser geworden.

"Es gibt kein Recht der Armenier, unter Armeniern zu leben. Es gibt aber ein Recht für armenische Bürger ihres Gemeinwesens, Gleiche unter Gleichen zu sein, nicht benachteiligt zu werden, ja auch ihre eigene Sprache und Kultur zu pflegen. Das sind Bürgerrechte, Rechte der Einzelnen gegen jede Vormacht. Das sogenannte Selbstbestimmungsrecht hat unter anderem als Alibi für Homogenität gedient, und Homogenität heißt immer die Ausweisung oder Unterdrückung von Minderheiten" (aus Ralph Dahrendorf: Nur Menschen haben Rechte https://www.zeit.de/1989/18/nur-menschen-haben-rechte)

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