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  • palette

634 Beiträge seit 16.11.2014

Stalin hat sich mehrfach dagegen ausgesprochen, über die Curzon-Linie hinaus

zu gehen, beim Zurückschlagen der polnischen Truppen.


Nur zwei Beispiele, weil ich sie grad parat hab, hatte erst vor kurzem diese Diskussion.

Zunächst vom Mai 1920: Stalin erläutert die Bedeutung des Hinterlandes und beschreibt, wie das Vordringen der polnischen Truppen in weißrussische, ukrainische, etc. Gebiete sie schwächt, was es den sowjetischen Truppen relativ leicht mache, sie zu bekämpfen.

Zugleich aber warnt er: Würden die Sowjets bis in polnische Gebiete vordringen, so hätten diese wiederum ein Problem, denn:

"Das Hinterland der polnischen Truppen ist gleichartig und in nationaler Hinsicht geschlossen. Daher seine Einheit und Festigkeit. Die in ihm vorherrschende Stimmung, das "Heimatgefühl", übermittelt sich durch zahlreiche Kanäle der polnischen Front und schafft in den Truppen nationale Geschlossenheit und Festigkeit. Daher die Standhaftigkeit der polnischen Truppen. [...] Wenn die polnischen Truppen im eigentlichen Polen operieren würden, so wäre der Kampf gegen sie zweifellos schwierig."

Zwar gäbe es natürlich auch Klassenkonflikte in der polnischen Armee,

"aber die Klassenkonflikte haben noch nicht eine solche Stärke erreicht, um das Gefühl der nationalen Einheit durchbrechen und die klassenmäßig verschiedenartige Front mit den Klassengegensätzen anstecken zu können."

Das ist wie gesagt von Mai 1920:
https://web.archive.org/web/20060502105420/http://www.stalinwerke.de/band04/b04-075.html

Wenige Wochen später, Ende Juni, warnt Stalin sehr eindringlich davor, weiter nach Polen vorzudringen, und das nicht nur angesichts der Lage an den anderen Fronten. Diese Warnung kommt nach der vernichtenden Niederlage der polnischen dritten Armee, also nach einem enormen Erfolg für die Sowjets, wo die meisten anderen total euphorisch sind und glauben, sie könnten bis nach Warschau vorstoßen:

"Ferner muss daran erinnert werden, dass die polnische Armee noch nicht von einer Zersetzung im Massenmaßstab ergriffen worden ist. Zweifelsohne stehen noch Kämpfe, erbitterte Kämpfe bevor.

Deswegen halte ich die Überheblichkeit und die unserer Sache schädliche Selbstzufriedenheit einiger Genossen für unangebracht: den einen genügen die Erfolge an der Front nicht, und sie schreien von einem "Marsch nach Warschau", den anderen genügt es nicht, dass wir unsere Republik gegen den feindlichen Überfall verteidigen, und sie erklären hochtrabend, sich nur mit einem "roten sowjetischen Warschau" zufrieden geben zu können.

Ich werde nicht lange beweisen, dass diese Überheblichkeit und diese Selbstzufriedenheit weder der Politik der Sowjetregierung noch der Verfassung der gegnerischen Kräfte an der Front auch nur im geringsten entsprechen."

https://web.archive.org/web/20060511202452/http://www.stalinwerke.de/band04/b04-076.html

So warnte Stalin Ende Juni 1920. Aber die Rote Armee ist trotzdem vorgerückt, wurde im "Wunder von Warschau" geschlagen, und die Polen haben die Gebiete östlich der Curzon-Linie erobern können.


Es ist so einfach und billig, immer alle Schuld auf Stalin abzuwälzen, dass sich niemand mehr die Mühe macht, genau hinzugucken...


Edit:

Auch der Mathematiker hat ein paar wichtige Punkte angeführt:

https://www.heise.de/forum/p-36065695/

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (05.02.2020 22:14).

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