Die Darstellung von Bettina ist zutreffend, die Schilderungen Leuten, die mit Hartz-IV zu tun hatten, nicht unbekannt. Es sind schlimme gesellschaftliche Zustände. Denn Arbeitslosigkeit ist ein gesellschaftlich, kein individuell begründetes Elend. Die Allerwenigstens haben sich selbst gekündigt. Und auch viele haben sich nicht ungeschickt oder dumm angestellt. Aber selbst das wäre kein ausreichender Grund, sie ins Elend zu jagen.
Schlimm sind auch einige Forenteilnehmer, die da noch drauf rumtrampeln. Das menschenverachtend zu nennen ist schon ein Euphemismus. Sicher verkrüppelt Hartz-IV die betroffenen mit der Zeit psychisch. Das damit aber auch die, die noch Arbeit haben, seelisch kaputt gemacht werden, zeigt sich an diesen Postings. Wie kann man sich noch als psychisch gesund ansehen, wenn man jedes Mitgefühl mit Elend verloren hat! Eigentlich brauchen auch diese Menschen Hilfe, genau wie die Hartz-IV-Empfänger. Aber ich befürchte, sie werden diesen Umstand viel weniger einsehen und sich für durch und durch normal halten.
Einige Bemerkungen zu hier gelesenen Meinungen:
Hartz-IV ist kein Ergebnis der Solidarität der Arbeitenden mit den Arbeitslosen. Es wird aus Steuern finanziert. Und die Steuer gehört dem Staat. Sie wird eingezogen, ob der Steuerpflichtige das will oder nicht. Niemand, der hier "Rechte und Pflichten!" blögt, hat auch nur einen Cent freiwillig dafür gegeben. Ich habe auch noch nicht davon gehört, dass sich die Steuersätze entsprechend der Zahl der Hartz-IV-Bezieher ändern würden.
Hartz-IV ist auch nicht das Ergebnis eines Gesellschaftsvertrages, sondern ein vom Bundestag gegen den Protest breiter Massen und gegen das Sozialstaatsgebot gemachtes Gesetz. Gemacht wurde es auf die Initiative der SPD-Führung, die dazu ihr eigenen Parteiprogramm ignorierte und einen Herrn Peter Hartz mit der Ausarbeitung beauftragte. Es diente ausschließlich dem Wohlergehen und der Förderung der Reichen und Superreichen durch billige Löhne und Lohndruck.
Mittlerweile wurde der Körperschaftssteuersatz von 50% auf 15% gesenkt, der Spitzeneinkommensteuersatz von 50% auf 42%, wobei dieser bereits nun bei viel niedrigeren Einkommen greift. Im Ergebnis hat sich die Zahl der Reichen und Superreichen verzehnfacht und auch ihr Vermögen hat sich vervielfacht.
Deutschland hat inzwischen 100 Milliardäre (2000: 10) bei 82 Mio. Bevölkerung. (USA: 500 Milliardäre bei 322 Mio. Einwohnern, China: 200 Milliardäre bei 1,4 Mrd. Einwohnern, Russland: 80 Milliardäre bei 142 Mio. Einwohnern). Wir haben also absolut Platz 3, relativ zur Bevölkerung Platz 2!
Nur in wenigen Ländern ist der Abstand zwischen Wirtschaftskraft einerseits und Lohn- und Sozialleistungen andererseits so groß wie in Deutschland.
Das ist der Kern des Problems. Und da die Zahl der Überstunden (bezahlte und unbezahlte) nicht sinkt, sondern sogar steigt, ist nicht der Mangel an Arbeit das Problem. Arbeitslosigkeit und das damit verbundene Elend sind gewollte Elemente zur Reichtumsmehrung. Die Betroffenen sind am aller wenigsten Schuld daran.
Dieses System verkrüppelt die Gesellschaft insgesamt:
-- die Arbeitslosen, weil sie aus einem wichtigen Lebensbereich (so heruntergekommen dieser auch sein mag) ausgegrenzt werden
-- die Arbeitenden und die Besitzenden, weil es sie der Mitmenschlichkeit beraubt.
Noch etwas zu den Verkrüppelungen der Arbeitslosen. Sicher werden Arbeitslose durch ihr "Schicksal" weder zu besonders guten noch zu besonders schlechten Menschen. Niemand kann sich aber sein Schicksal tagtäglich vorhalten, ohne daran kaputt zu gehen. Spätestens nach ein paar Jahren muss man sich eingerichtet haben und es schaffen, damit zu leben. Kein wunder, dass man dann damit zufrieden ist, ja eventuell sogar stolz darauf, das zu können und auch Angst vor Arbeit entwickelt. Woher soll man nach Jahren auch wissen, ob man im Job noch zurecht kommt und nicht gar endgültig als Versager gilt? Es bleibt Garnichts anderes, als sich sein Schicksal schönzureden. Dazu gehört auch die Variante: "Ich brauch ja gar keine Arbeit für mein Selbstbewusstsein". Diese Reaktion ist ganz ähnlich dem Stockholm-Syndrom und überaus natürlich und menschlich. Verachtung dessen ist bereits eine eigene Verkrüppelung.
Und der Druck auf Arbeitslose nimmt noch zu: hat man in den 90er Jahren noch oft Arbeitslose mit der Bierflasche vorm Supermarkt gesehen, und also wenigstens in Gesellschaft, so ist das seltener geworden. Mir scheinen die armen Leute immer mehr ins private abgedrängt und zum Verstecken gezwungen zu sein.