Was für ein grottiger Artikel und ein weiteres Beispiel für schlechten Journalismus bei Telepolis! Ich habe eine einzige Aussage des Artikels nachrecherierchert und wie gewöhnlich verlor sich der riesige Knall eines gigantischen Skandals in einem lauwarmen Lüftchen halbgarer Behauptungen.
Im ersten Teil seines Beitrages stellt sich der Autor hin und posaunt selbstbewusst folgendes heraus:
„Nach der Invasion am 24. Februar wurde die russische Einschätzung durch aufgefundene Dokumente bestätigt, nach denen die Ukraine kurz vor einem Einmarsch in den Donbass stand.“
Das wäre tatsächlich eine journalistische und gesellschaftliche Sensation, würde das herrschende Narrativ sprengen und den Blick auf diesen Krieg wesentlich verändern. Also sollte diese Aussage nicht nur gut überlegt, sondern von einem Journalisten sorgfältig recherchiert sein.
Aber hey, wir sind ja hier bei Telepolis! Da ist der einzige Beleg eine windige Quelle auf einen Blog in der Schweiz, auf dem wiederum folgendes zu finden ist:
„Militärische Dokumente, die bei den ukrainischen Generalstäben27 im Süden des Landes gefunden wurden, bestätigen, dass die Ukraine kurz vor einem Angriff auf den Donbass stand und dass die von den OSZE-Beobachtern seit dem 16. Februar beobachteten Schüsse auf den Donbass auf einen Ausbruch in den nächsten Tagen oder Wochen hindeuteten.“
Unter dem Verweis 27 ist dann die eigentliche Quelle verlinkt, ein russischer Telegram-Kanal eines Rybars, in der scheinbare Dokumente des Generaloberst Balan, Kommandeur der Nationalgarde der Ukraine gezeigt werden. Ah ja. Dann muss es ja stimmen.
Wenn man sich die Mühe der Übersetzung macht, bleibt die große Sensation aus. Grob gesagt, wird sehr detailliert geschildert was organisatorisch zu tun ist, um die „Fähigkeiten des Verbunds der Gemeinsamen Streitkräfte auf dem Gebiet der Regionen Donezk und Luhansk zu erhöhen“. Nun ja, von direkten Angriffsplänen keine Spur. Da Putin seine Truppen schon ab November zum Angriff zusammenzog und die westlichen Geheimdienste davor warnten, kann es sich auch um Vorbereitungen handeln, um dem russischen Angriff besser zu widerstehen.
Jedenfalls wären solche Dokumente der Ausgangspunkt, wo ein guter Journalist mit seiner Arbeit beginnen würde. Klärung der Fragen: Ist die Quelle glaubwürdig? Sind die Papiere Fälschungen oder nicht? Was sagen die Papiere tatsächlich aus? Wie lassen sich die Papiere in den Gesamtkontext einordnen? Gibt es gegensätzliche Positionen dazu? Welche ukrainische Truppenbewegungen gab es vor dem 24.02.2022 tatsächlich, wie stark waren die Kräfte und wie offensiv waren deren Aufstellung etc etc etc.
Ja, das wäre sehr viel Arbeit in einer Welt von Propaganda und Gegenpropaganda, also geht man bei Telepolis den üblichen Weg der faktenfreien Schwurbelei.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (20.04.2023 15:00).