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  • von Vorgestern

mehr als 1000 Beiträge seit 30.11.2002

jaja, viel zu wenig gewürdigt hier...

...aber deshalb noch lange nicht tot

die gute alte Tante Frankfurter-Rundschau:

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Plädoyer gegen den Kriegskurs

 Spaniens populärer Richter Garzón rechnet in einem offenen Brief mit
Ministerpräsident Aznar ab

 Drei Viertel der Spanier lehnen einen Irak-Krieg ab - was
Ministerpräsident José Maria Aznar nicht beeindruckt. Nun geht
Spaniens populärer Starjurist Baltasar Garzón in einem offenen Brief
mit dem Kriegskurs des Premiers ins Gericht.

 Von Axel Veiel (Madrid)


Adressat und Absender, mehr steht nicht über dem Brief. Mehr braucht
es auch nicht. Die Namen sprechen für sich. Empfänger ist
Ministerpräsident Aznar, dessen unversöhnliche Haltung im
IrakKonflikt Spanien zu einem Land gemacht hat, das künftig bei
wichtigen weltpolitischen Ereignissen mitredet. So sieht das
jedenfalls Aznar. Verfasser der Zeilen, die die Zeitung El País
abgedruckt hat, ist Garzón, Untersuchungsrichter am Nationalen
Gerichtshof. Der 47-Jährige mit dem nach hinten gekämmten Haar und
der randlosen Brille ist in Spanien immer noch der Starjurist
schlechthin.

Im Herbst 1998 war Garzón auch international ins Rampenlicht
getreten, als er Chiles Ex-Diktator Augusto Pinochet festnehmen ließ.
Später ermittelte er gegen Italiens Premier Silvio Berlusconi wegen
Steuerhinterziehung. Dutzende Rauschgiftbosse brachte der Träger des
braunen Karategürtels hinter Gitter. Und nicht zuletzt hat Garzón der
baskischen Terrororganisation ETA zugesetzt. Sein bisher letzter Coup
war das einstweilige Verbot der ETA-nahen Partei Batasuna.

Kaum ein Untersuchungsrichter hat sich so viele Feinde gemacht, kaum
einer so viel Ehre errungen. Beides braucht Garzón wie die Luft zum
Atmen. Und jetzt hat er sich zum Thema Irak zurückgemeldet. In dem
eine Zeitungsseite füllenden Brief spricht der Familienvater Garzón,
erzählt, wie er mit Frau und Kindern auf den Straßen Madrids für den
Frieden demonstrierte, wie ihm die Entschiedenheit in den Gesichtern
der Angehörigen Kraft gab. Der verhinderte Prediger kommt zu Wort,
der sechs Jahre lang ein Priesterseminar besuchte, bevor er die Bibel
gegen das Gesetzbuch eintauschte. Als "glitschige Mauern"
charakterisiert er Aznar und dessen einig hinter ihm stehende
Mitstreiter von der Volkspartei. Alle Abgeordneten der Volkspartei
hatten am Dienstagabend eine Resolution der Opposition abgelehnt,
sich um eine friedliche Lösung zu bemühen. Sie seien "gefühllos"
gegenüber Leid und Tod, die der Krieg bringe, seien verantwortlich
für "ein angekündigtes Massaker", schreibt Garzón.

Der Gerechtigkeitsfanatiker Garzón meldet sich zurück, den es
schmerzt, wenn das Recht vor der Macht einknickt. Verbittert zeigt
sich der Spanier über den US-Präsidenten George W. Bush, der in
Guantánamo seit mehr als einem Jahr die Menschenrechte von hunderten
Gefangenen missachtet, ihnen weder Kontakt zu Anwälten noch zu
Angehörigen erlaubt und sich obendrein losgesagt hat von der
Rechtssprechung des Internationalen Strafgerichtshofs.

Aber auch das große Ego Garzóns scheint durch. "Herr Präsident",
schließt der Brief, "ich sage Ihnen mit großem Nachdruck, dass Sie
nicht Hand in Hand mit jemandem gehen dürfen, der sich einer Politik
rechtsfreier Räume rühmt." Der Richter will den Regierungschef zur
Räson rufen. Bräche nicht immer wieder Selbstgefälligkeit durch,
Garzón verkörperte die Unabhängigkeit der Justiz schlechthin. So aber
können Aznar und andere ihm entgegenhalten, er wolle eben stets "die
Petersilie in jeder Soße" sein, wie der Kolumnist der Tageszeitung El
Mundo, Enric Sopena, einmal formulierte.
aus:
http://www.f-r.de/ressorts/nachrichten_und_politik/international/?cnt
=164246
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