In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts lebten in
Westdeutschland nicht mehr als 15% der Bevölkerung noch in ländlichen
Zusammenhängen, die zumindest theoretisch Mehrgenerationenfamilien
erlaubten (soweit es die Lebenserwartung von ca. 72 Jahren hergab).
Die bürgerliche Kleinfamilie hatte sich bereits im 19. Jahrhundert
entwickelt, erst im 20. Jahrhundert hatten sich die
Lebensverhältnisse der arbeitenden Klassen so weit entwickelt, dass
dort stabile familiäre Strukturen möglich wurden. Lies einmal die
Autobiographie von August Bebel. Der hatte schon Mitte Zwanzig seine
gesamte Familie an verschiedene Seuchen, vornehmlich Tuberkulose,
verloren, im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Proletarierinnen
und Proletarier waren bis ins 20. Jahrhundert Überlebende, da von
stabilen Familien zu träumen, vom Wohnungselend abgesehen, war
illusorisch. Nebenbei gesagt, sobald die materiellen und
Wohnverhältnisse es den Arbeitern erlaubten, kopierten sie die
bürgerliche Kleinfamilie.
Das Ideal der harmonischen generationenübergreifenden Familie mag
ganz nett sein, solange die Oma nicht ins Bett und auf den Fussboden
scheisst. Ich rede hier nicht von Idealen, sondern von Praxis, und
von alten Leuten, die nicht wie in der guten alten Zeit nach wenigen
Jahren sozialverträglich verrecken. Die Wohnung müsste auch gross
genug sein, versuch mal, in einer Grossstadt eine Wohnung für eine
Familie, womöglich mit mehr als 1-2 Kindern zu kriegen.
Übrigens in den Dörfern, wo das halbwegs funktioniert, werden die
Kinder, auch kleine, auch ständig weggegeben, zu anderen Eltern je
nach Notwendigkeit, auch schonmal tagelang, in der Erntezeit mitunter
länger. Wenn man Deinen Kram liest, glaubt man, Kindergärten und
Kinderkrippen seien eine teuflische Erfindung finsterer Bolschewiken.
Es ist eine Sache, neoliberale Exzesse zu kritisieren. Reaktionäre
Nostalgie ist eine andere, und keine gute.
a^2
Westdeutschland nicht mehr als 15% der Bevölkerung noch in ländlichen
Zusammenhängen, die zumindest theoretisch Mehrgenerationenfamilien
erlaubten (soweit es die Lebenserwartung von ca. 72 Jahren hergab).
Die bürgerliche Kleinfamilie hatte sich bereits im 19. Jahrhundert
entwickelt, erst im 20. Jahrhundert hatten sich die
Lebensverhältnisse der arbeitenden Klassen so weit entwickelt, dass
dort stabile familiäre Strukturen möglich wurden. Lies einmal die
Autobiographie von August Bebel. Der hatte schon Mitte Zwanzig seine
gesamte Familie an verschiedene Seuchen, vornehmlich Tuberkulose,
verloren, im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Proletarierinnen
und Proletarier waren bis ins 20. Jahrhundert Überlebende, da von
stabilen Familien zu träumen, vom Wohnungselend abgesehen, war
illusorisch. Nebenbei gesagt, sobald die materiellen und
Wohnverhältnisse es den Arbeitern erlaubten, kopierten sie die
bürgerliche Kleinfamilie.
Das Ideal der harmonischen generationenübergreifenden Familie mag
ganz nett sein, solange die Oma nicht ins Bett und auf den Fussboden
scheisst. Ich rede hier nicht von Idealen, sondern von Praxis, und
von alten Leuten, die nicht wie in der guten alten Zeit nach wenigen
Jahren sozialverträglich verrecken. Die Wohnung müsste auch gross
genug sein, versuch mal, in einer Grossstadt eine Wohnung für eine
Familie, womöglich mit mehr als 1-2 Kindern zu kriegen.
Übrigens in den Dörfern, wo das halbwegs funktioniert, werden die
Kinder, auch kleine, auch ständig weggegeben, zu anderen Eltern je
nach Notwendigkeit, auch schonmal tagelang, in der Erntezeit mitunter
länger. Wenn man Deinen Kram liest, glaubt man, Kindergärten und
Kinderkrippen seien eine teuflische Erfindung finsterer Bolschewiken.
Es ist eine Sache, neoliberale Exzesse zu kritisieren. Reaktionäre
Nostalgie ist eine andere, und keine gute.
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