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Avatar von Sandra Burger

130 Beiträge seit 16.09.2006

steigende Energiekosten = existenzielle Bedrohung / Stromsperren / Armut

Helmholtz-Watson schrieb am 21.02.2022 20:56:

Eine steile These meinerseits.
Nix Kapital, nix Verteilung.
Wer über genügend Energie verfügt ist nicht arm. Er kann Millionen Elektronen für sich schuften lassen. Genau das tue ich jetzt, wo ich diese Worte tippe. Ja ich bin reich, so gesehen.
Das Problem ist. Die Bundesrepublik verbraucht drei Erden an Ressourcen, wenn jeder Mensch auf der Erde so leben wollte. Dafür kommen ein paar andere Leute halt zu kurz.
Auf kurz oder lang ist Umverteilung des "Reichtums" oder Kapitals keine Lösung sondern verschlimmert das Problem. Dann werden nicht nur drei Erden verballert, sondern vielleicht fünf (so wie in den USA).
Eine Patentlösung habe ich nicht, aber wenn man ständig den Elefant, der da im Raum steht negiert, und fürs Klima betet oder den Wohlstand der unterdrückten Massen fordert, bringt das niemanden weiter.

Dazu mal ein paar Zahlen:

https://aktuelle-sozialpolitik.de/2019/12/02/stromsperren/

2. Dezember 2019 von Stefan Sell
[...] »Im Jahr 2018 wurde etwa 4,9 Millionen Haushalten in Deutschland eine Stromsperre angedroht. Davon wurde rund 300.000 Haushalten der Strom gesperrt.« [...]

In einem Beitrag vom 16. Februar 2015 schreibt Stefan Sell:

https://aktuelle-sozialpolitik.de/2015/02/16/energiearmut-und-das-ewige-pauschalierungsdilemma/

Die Stromkosten, die in einem Hartz IV-Haushalt anfallen, sind aus dem Regelsatz zu decken – und dafür stehen kalkulatorisch die in der Abbildung ausgewiesenen 33,36 Euro pro Monat für „Wohnen, Energie und Wohninstandhaltung“ zur Verfügung.

Helga Spindler hat diesen Kostenpunkt >Stromkosten< noch genauer unter die Lupe genommen:

https://archive.fo/boxAy#selection-2537.0-2537.33
Familie
Die Liebe und das liebe Geld

[...] In Zeiten der Sozialhilfe wurden zum notwendigen Haushaltsenergieverbrauch und den Kosten noch sorgfältige Untersuchungen angestellt. So wurde 1990 für einen Ein-Personen Haushalt ein durchschnittlicher Verbrauch von 1.781 kWh pro Jahr (148 kWh pro Monat) festgestellt, für 2 Personen 2.604 kWh pro Jahr, für 3 Personen 4.416 kWh pro Jahr. Und nach aktuellen Untersuchungen ist ein derartiger Verbrauch – wenn davon auch Warmwasser finanziert werden muss – als guter, sparsamer Energieverbrauch zu bewerten und keinesfalls als Energieverschwendung. [...] Außerdem werden seit 2004 die steigenden Lebenshaltungskosten nicht mehr berücksichtigt. Als Folge ist 2008 – also 10 Jahre später – im Regelsatz nur noch 21,75 Euro für Haushaltsenergie enthalten, obwohl gleichzeitig die Energie nicht billiger geworden ist. [...]

* Prof. Dr. Helga Spindler: Notwendige Energiekosten müssen übernommen werden - Arme brauchen genug Energie, Neue Rheinische Zeitung, Online-Flyer Nr. 139 vom 26. März 2008

Die tatsächlichen Stromkosten liegen jedoch bei rund 60 Euro pro Monat! [Fn. 1]

Das heißt: im Existenzminimum fehlen rund 40 Euro allein nur für den Kostenpunkt "Strom" - <Sarkasmus on> Die "darf" bzw. muss der Hartz-IV-Empfänger dann beispielsweise beim Kauf von Lebensmitteln (bei der Ernährung) einsparen <Sarkasmus off> - ABER auch hier gibt es ein "kleines" Problem:

Vgl. Teil 2 in meinem Kommentar vom 17.02.2022
https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Populismus-in-Richterrobe/Wer-frueher-stirbt/posting-40516847/show/

[…] Die von Hartz IV erlaubten 1.570 kcal für gesunde Ernährung entsprechen nicht einmal dem Ruheenergieverbrauch eines Menschen, der sich nicht bewegt. Die Bundesregierung bringt es dennoch fertig, sich über den indirekt von ihr selbst verordneten Bewegungsmangel der Hartz-IV-BezieherInnen zu beschweren. […]

— Prof. Rainer Roth (KLARtext e.V., Broschüre): Hartz IV – „Fördern“ durch Mangelernährung (Seite 17 f. von 45 der PDF-Datei)

Um das Stichwort "steigende Lebenshaltungskosten" (vgl. oben das Zitat von Helga Spindler) aufzugreifen:

Seit dem Kindergeldbeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 82, 60 - Beschluß des Ersten Senats vom 29. Mai 1990)

https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv082060.html#085

gibt es eine ganz perfide und zutiefst beunruhigende Entwicklung:

Das Existenzminimum wurde seither - entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts: das Existenzminimum muss realitätsgerecht sein (!) - ganz massiv gesenkt! - Und zwar:

1.) Durch Herunterrechnen der Hartz IV-Sätze
https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Warum-die-Armutsdefinition-den-Blick-auf-die-Realitaet-verzerrt/Bewusst-gewollte-Unterdeckung-der-Grundsicherung/posting-40427982/show/

2.) Parallel dazu durch den Kaufkraftverlust
https://www.facebook.com/photo/?fbid=1173169732770403&set=ecnf.100002321638807
(dort auf der rechten Seite auf den Link zur Grafik "das Existenzminimum wurde (faktisch) um mehr als 550 € gesenkt" klicken)

Die Durchschnittsverdiener werden durch diese Entwicklung mehr und mehr verarmt, wobei das Geld, was "man" der unteren Bevölkerungshälfte wegnimmt, umverteilt wird an die Reichen.

Vgl.
1.) Christoph Butterwegge
Sozialpolitik nach dem Matthäus-Prinzip
https://www.christophbutterwegge.de/texte.php
Direktlink = https://www.christophbutterwegge.de/texte/GroKo-Bilanz.doc.pdf

sowie:
2.) Georg Schramm: "Die Party ist zu Ende"
https://www.youtube.com/watch?v=9ERvHwAW2l4
Vermögensverteilung 2007 vs. Vermögensverteilung 2002
(Datenquelle = DIW Nr. 4 / 2009)

P.S.:
Ihre Metapher "Elektronen für sich schuften lassen" gefällt mir ausgesprochen gut. Dieses Bild ist allem Anschein nach eine Anspielung auf Hans-Peter Dürr, der in diesem Zusammenhang von "Energiesklaven" sprach.

https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Industrielle_Revolution#Unterricht
Hans-Peter Dürr: Die 1,5-Kilowatt-Gesellschaft (Vortrag 1994)
Hans-Peter Dürr, Ökologische Herausforderung der Ökonomie - Teil I / Teil II

Vor Jahren hab ich unter der Überschrift "ein Gefühl für Energie" die folgende Berechnung vorgestellt:

Energiebedarf eines Menschen = ca. 2000 kcal pro Tag
das entspricht umgerechnet rund 2,4 kWh pro Tag

Eine 100-Watt Glühbirne, die man 24 Stunden brennen lässt "verbraucht" ebenfalls 2,4 kWh pro Tag - das entspricht dem Energiebedarf eines Menschen ...

Vgl. hierzu auch:
http://www.regenerative-zukunft.de/joomla/grundlagen/ein-gefuehl-fuer-energie
[...] Weitere Veranschaulichungen des Begriffs Kilowattstunde aus dem täglichen Leben:

1 kWh reicht aus um...

... 50h am Laptop arbeiten (20 Watt)
... 5h am PC arbeiten (200 Watt)
... 75h Licht (Energiesparlampe 15Watt)
... einen Eimer voll Wasser (10,75l) von 20 °C auf 100 °C erhitzen [...]

Fußnote 1:
https://www.co2online.de/energie-sparen/strom-sparen/strom-sparen-stromspartipps/stromverbrauch-singlehaushalt/
Stand 10.03.2021 - ZITAT:
[...] Der durchschnittliche Jahresverbrauch eines deutschen 1-Personen-Haushalts in einem Einfamilienhaus liegt laut der Statistik des Stromspiegels bei 2.300 Kilowattstunden (kWh). Bei einem Strompreis von durchschnittlich 31,8 Cent pro kWh liegen die jährlichen Stromkosten für eine Person bei rund 730 Euro. [...]

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