Die Frage ist ernstgemeint, ich freue mich auf Antworten.
Exkurs in die Geschichte:
Früher mussten die Nachfahren pünktlich zum Auszug aus dem Elternhaus eigenen Wohnraum schaffen. Das bedeutete viel Holz und Steine schleppen, viele Gefallen bei Familie und Freunden einlösen. Jahrelange harte Arbeit, "nur" um ein Dach über dem Kopf zu haben.
Nun zur Gegenwart:
Heute ist niemand gezwungen, jahrelang sein eigenes Domizil zu bauen. Anstatt dieser riesigen Anfangsinvestition, kann man als Mieter jemand anderem monatlich einen kleineren Betrag dafür bieten, dass er einem fremden Wohnraum zeitweise zur Nutzung überlässt. Der Mieter reduziert durch die regelmäßigen Mietausgaben zwar seinen zukünftigen Cashflow, spart sich aber die Investition einer großen Summe in der Gegenwart. Das ist der Anreiz des Mieters.
Auf der anderen Seite steht der Vermieter, der überschüssiges Kapital hat und dieses in den Bau von Mietwohnungen investiert, um damit regelmäßige Einnahmen zu generieren (Kredite lasse ich hier der Einfachheit halber weg). Der Vermieter tauscht also eine große Summe an Kapital in der Gegenwart gegen regelmäßigen Cashflow in der Zukunft. Über viele Jahrzehnte gerechnet wird er irgendwann einmal mehr Kapital durch die aufaddierten Mieteinnahmen eingenommen haben, als er ursprünglich investieren musste. Das ist der Anreiz des Vermieters.
Wie man sieht, sind Mieter & Vermieter zwei Seiten einer Medaille. Die eine Seite bietet jeweils das, was der andere haben möchte. Nun höre ich von links einige interessante Anschuldigungen zu diesem durchaus symbiotischen Verhältnis:
These 1: "Der Vermieter will nur Rendite, alles andere ist ihm egal!"
Nein, wie oben beschrieben, will er in erster Linie ein sicheres, regelmäßiges Einkommen aus seiner Investition. Erst danach kommt die Rendite. Jeder Mieterwechsel kostet ihn Arbeit, Zeit, Geld. Der Vermieter ist durchaus daran interessiert, dass ein guter, zuverlässiger Mieter lange in seinem Objekt bleibt. Natürlich ist der Vermieter auch am Erhalt des Objekts selbst interessiert, denn aufgeschobene Investitionen verursachen später oft nur noch höhere Kosten – reduzieren also seine Rendite. Ganz davon zu schweigen, dass ein Objekt in schlechtem Pflegezustand auch zu geringeren Mieten bei Neuvermieten führt, woran er auch nicht interessiert ist.
These 2: "Vermieter sind zu gierig und verlangen Höchstrenditen! Mietwucher!"
Die Bruttomietrenditen liegen in Deutschland typischerweise im einstelligen Prozentbereich, heutzutage meistens deutlich unter 5% (abzüglich Steuern und etwaigen Kreditkosten). Die großen Mietwohnungsverwalter kommen im Schnitt auf etwas bessere Werte, weil sie Profis beschäftigen, die gute Objekte im Markt zielsicherer identifizieren können als der typische Privatier. Außerdem lassen sich bei einem großen Wohnungsbestand Skaleneffekte besser realisieren und der Zugang zu Fremdkapital wird günstiger (niedrigere Zinsen auf Kredite). Typischerweise zahlen große Wohnungsvermieter wie Vonovia oder Deutsche Wohnen trotzdem nur etwa 2,5% Dividende (brutto) aus, was etwa 70% von deren Gewinn entspricht. Ich beschwere mich nicht, aber eine sagenhafte Rendite sieht anders aus.
These 3: "Vermieter bauen zu wenig!"
Warum sollten sie das? Mit jeder einzelnen, neuen Mietwohnung verdienen sie Geld. Sie bauen soviel wie möglich und sie tun das auch vorwiegend dort, wo es eine hohe Nachfrage für ihre Mietwohnungen gibt (mehr Rendite). Es gibt eben nicht beliebig freie Bauflächen in Deutschland und der Staat macht den Bau durch viele Bauvorschriften teuer und langwierig.
These 4: "Vermieter bauen nur noch Luxuswohnungen!"
Die Ursache ist auch hier der Mangel an Bauflächen und durch viele Vorschriften hohen Baukosten. Wenn der Bau schon so teuer ist, MUSS die Miete später auch relativ hoch sein, um das gegen zu finanzieren. Inzwischen haben sich viele Vermieter bereit erklärt, in vielen Neubauobjekten einen Anteil an Sozialwohnungen oder mietreduzierten Wohnungen für Arbeiter zu schaffen. Das ändert aber nichts an dem vom Staat geschaffenen Grundproblem: Überspitzt gesagt lassen sich bei Neubauten nur Luxuswohnungen noch profitabel vermieten. Der Anteil billiger vermieteter Wohnungen wird von den Luxuswohnungen subventioniert und ist für sich genommen oft ein Verlustgeschäft.
These 5: "Der Staat kann es besser! Private Vermieter sollte man enteignen!"
Der Staat und insbesondere der deutsche Staat hat hinlänglich bewiesen, dass er es nicht kann. Jüngstes Beispiel: Corona. Der Staat ist auf dem Wohnungsmarkt das Problem und nicht die Lösung: Er bremst den Neubau durch lange Genehmigungsverfahren, zunehmend absurde Bauvorschriften und übertriebenen Umweltschutz. Er schränkt das Angebot ein, indem er in den letzten Jahren mehrere Millionen Einwanderer ins Land geholt hat. Die lockere Geldpolitik der EZB, um das Euro-Experiment noch etwas länger am Leben zu erhalten, tut ihr übriges. Der jüngste Wahn sind die offenen Forderungen mehrerer linker Parteien nach Enteignungen. Wie oben beschrieben, investieren Vermieter langfristig. Wenn die reale Gefahr besteht, dass ihre Investition in 10-20 Jahren vom Staat geklaut wird, dann werden Vermieter in Zukunft genau überlegen, ob sie hier in Deutschland investieren wollen. Das Geld geht dorthin, wo es am besten behandelt wird. Gilt übrigens auch für kluge Bürger ...
Wer bin ich?
Ich wohne selbst zur Miete, habe aber einen Teil meines Ersparten in Aktien von Immobilienverwaltern, vorwiegend aus dem Ausland, investiert. Die Dividenden daraus finanzieren einen erheblichen Teil meiner Miete.