Chimärenflügler schrieb am 05.05.2022 17:31:
Der Mann ist 70 und krank.
Mit 70 hat man gut zu tun, die Maschine am Laufen zu halten, egal wie gut die Ärzte sind, da sieht man den Videos nicht an, ob das die ganz normalen Altersbeschwerden sind oder tatsächlich was Ernsthaftes.
Sein Regime hat nichts für die Jugend zu bieten. Die Leute mit guter Ausbildung kehren Russland seit Jahren den Rücken.
Die Frage ist, wie sich das unter den Auswanderern aufteilt?
Die Russen lassen wohl jeden auswandern, der will, also müsste man wohl schauen, ob es primär die Hochqualifizierten sind oder ob das einfach der Landesdurchschnitt ist und uns fallen nur die Ausgebildeten auf.
Es errinnert ein bischen an Ostdeutschland. Hoher Anteil nationalistisch/chauvinistischer Menschen, Überalterung, schlechte Wirtschaftslage.
So viel Chauvinismus war in der DDR gar nicht.
Hat man so richtig eigentlich nur als Besucher aus dem Westen feststellen.
DDR-Bürger untereinander haben brav die Klappe gehalten, weil man nicht wusste, wer von der Stasi ist und wer nicht, da war dann der staatlich verordnete Chauvinismus überall, aber wenn man als Westbesucher auffiel, konnten sich die Leute Luft machen, da kam dann viel hoch.
(Ich war als Jungendlicher mehrfach auf Ostbesuch, in unterschiedliche Situationen hinein - teils einfach auf Besuch bei Verwandten, teils als Teil einer 10%-subversiven Veranstaltung, wo dann jeder Zweite mindestens IM gewesen sein muss. Das gibt ein ziemlich breites Spektrum an Begegnungen.)
Militärisch ist der Krieg Russlands nicht zu gewinnen, da er gegen fast alle Industrieländer dieses Planeten mit dem Vielfachen an Bevölkerung, Militär und Finanzkraft steht.
Er hat - vielleicht - eine Gelegenheit zum Gewinnen, weil die Waffenlieferungen aus Westen immer einiges an Zeit brauchen, bis sie an der Front sind.
Wenn er selbst seine Waffen bereits an der Front hat, kann das schon funktionieren.
Außerdem gilt:
Die Russen können selbst dann gewinnen, wenn sie Fehler machen.
Die Ukrainer können bei sehr wenigen Fehlern schon verloren haben.
D.h. wenn die Ukrainer Pech haben, ist es sehr schnell vorbei.
(Das wird allerdings ein Stück weit dadurch ausgeglichen, dass die Ukrainer aus dem Westen Satellitenbildern kriegen. Das elimiert viele Fehlentscheidungen und Gelegenheiten zum Pechhaben.)
Atomwaffen sind keine Lösung für ihn, weil jeder Einsatz zum sofortigen Gegenschlag führen würde.
Er könnte immer noch ukrainische Städte pulverisieren.
Es ist sehr fraglich, ob die NATO wirklich den nuklearen Gegenschlag samt Selbstvernichtung für einen befreundeten, aber eben nicht in der NATO eingetretenen Staat wählt.
Was die Frage aufwirft, warum er das nicht schon getan hat, als er sich vor Kiew zurückziehen musste. Der Ukraine wäre in dem Fall ja nur noch die sofortige Kapitulation geblieben, und Putin sch*ißt ja auf die Meinungen anderer Staaten - jetzt überwerfen sie sich ja sogar ohne Not mit Israel.
Und China wär das vermutlich sogar fast egal, was die Russen in der Ukraine machen, mit westlichem Unmut kommen die Chinesen eigentlich klar (und weder Russen noch Chinesen interessieren sich für die Toten selbst).
Außerdem was will er damit, außer Selbstmord zu begehen, erreichen?
Sofortige Kapitulation der Ukraine.
Das war einfach :-)
Wer die Argumentation der Entnazifizierung glaubt - bei einem Land mit 3% rechtsextremen Parteien bei der letzten Wahl -, während gleichzeitig in Russland Nazi Symbolik gang und gäbe ist, die inoffizielle Putin Armee - Gruppe Wagner - von Nazi Symbolik und Propaganda strotzt, sollte sich ohnehin einweisen lassen.
Das ist Propaganda, mehr nicht.
Das Gefährliche an Propaganda ist, dass man sie irgendwann selbst zu glauben beginnt, selbst wenn man sie selbst erfunden hat. Nicht, weil derjenige geistesgestört ist, sondern weil gut wirksame Propaganda auch die Führungszirkel beeinflusst, und irgendwann erliegt auch der Chefe dem Gruppendruck (oder, neudeutsch, der "Filterblase").
Mit Atomwaffen rottet man diese jedenfalls kaum aus, das Narrativ würde noch weiter zusammenbröseln, als es ohnehin schon gebröselt ist.
Soweit die russische Bevölkerung sich vom Staatsfernsehen informieren lässt, glaubt die, was immer Putin sie glauben machen will.
D.h. der Narrativ bröselt nicht, das geht dann wirklich à la 1984 weiter.
Die Pläne, die Putin öffentlich geäußert hat, laufen auf die Eroberung noch einiger souveräner Staaten - Demokratien - hinaus. Es ist richtig, dass der Westen diesen Staaten - inklusive Ukraine - hilft sich mit allen Mitteln zu verteidigen. Jeder abgeschossene russische Panzer, jedes Flugzeug, jeder russische Soldat, der in der Ukraine fällt, ist einer weniger, mit dem Russland Estland/Lettland/Litauen/Moldawien etc. angreifen kann. Daher je höher die russischen Verluste, desto besser.
Bedauerlicherweise richtig.
Die Soldaten sind ja größtenteils auch nur Opfer, mir gefällt's nicht, wenn sie abgeschlachtet werden.
Aber sie nicht zu töten hat halt noch schlechtere Ergebnisse.
Ich lese übrigens grad, dass die Russen gar nicht weit weg von einem Erfolg waren; sie hätten den Kiewer Flughafen (Hostomel) einnehmen sollen und Selenski festnehmen bzw. "bedauerlicherweise erschießen" sollen.
Hat nicht geklappt, weil die Ukrainer genaue Positionsdaten der auf Hostomel anfliegenden Transportflugzeuge hatten und sie abschießen konnten. Da waren jeweils irgendwas um 100, 150 Soldaten drin, noch dazu Elitesoldaten, die das Gelände hätten sichern und weiter in die Stadt ausschwärmen sollen - die fehlten dann und die Ukrainer haben Hostomel zurückerobert.
Aber ich stell mir grad vor, man hat dir erzählt, es geht in eine Übung, du sitzt mit 99 Anderen im Transporter und wartest auf die Landung, und plötzlich knallt es und es geht für alle nach unten... das ist schon widerlich, das wünscht man kaum einem Menschen.
(Aber, wie gesagt, wären die sicher gelandet, hätten sie die Ukraine unterworfen und dort einen Unterdrückungsstaat errichten helfen, in dem noch mehr Menschen sterben würden. Nicht besser...)