Die Argumentation der Unterzeichner stützt sich auf die Annahme, dass es Putin und seine KGB-Freunde sein werden, die irgendwann ihr imperialistisches Vorhaben aufgeben. Gleichzeitig verstehen sich die Unterzeichner als entschiedene Gegner Putins und werden nicht müde, den Typen mit dem schlimmsten Despoten des 20. Jahrhunderts zu vergleichen. Der logische Fehler in dieser Argumentation ist, dass Hitler eben nicht kapituliert hat und verfügbare Massenvernichtungswaffen mit Sicherheit auch eingesetzt hätte.
Vielleicht hat der amerikanische Geheimdienst tatsächlich Informationen über Pläne des Kreml, ganz Europa zu vereinnahmen. Ich persönlich bezweifle das und sehe eher die durch Russland gefährdeten Interessen der amerikanischen Hegemonialmacht als Motiv für die Eskalation, (auch die hinter dem Offenen Brief stehende Initiative Zentrum Liberale Moderne von Ralf Fücks und Marieluise Beck deutet genau darauf hin), aber wer bin ich, das zu beurteilen?
Worauf ich hinaus will, ist, dass, wenn Putins expansive Aggression tatsächlich mit dem Faschismus der 40er Jahre zu vergleichen ist, dann wissen wir alle, dass es über 50 Millionen Menschenleben gekostet hat, Nazi-Deutschland endlich in die Knie zu zwingen, und Hitler hatte keine Atomwaffen. Die Initiatoren dieses Offenen Briefes wie überhaupt die dezidierten Verfechter von Waffenlieferungen sollten also den erwartbaren Preis für den Sieg über eine Atommacht nennen, anstatt zu behaupten, ausgerechnet mit Hilfe von Waffenlieferungen an die Ukraine werde der Krieg beendet.
Schließlich gibt es da noch die ganz Cleveren, die meinen, Atomwaffen dienten lediglich der Einschüchterung des Gegners, ohne je wirklich eingesetzt zu werden. Aber wäre es wirklich ratsam, sich in einer Frage, von der das Überleben der Menschheit abhängt, auf diese fragile Annahme zu verlassen? Würde es sich hier um eine Gewissheit handeln, wäre aus Sicht des Kreml auch das Atomwaffenarsenal der USA völlig wertlos.