Wolff liefert keinen Beleg für seine These, die Politik würde zumindest in Kauf nehmen, dass alte Menschen in der Pandemie sterben. Belege dafür dürften auch nicht so einfach zu finden sein. Die recht erfolgreiche Impfkampagne bei alten Menschen spricht doch eher dagegen, dass ausgerechnet die alten Menschen die Hauptleidtragenden sein sollen. Trotzdem hält sich diese These seit Beginn der Pandemie auch in linken Kreisen.
In allen europäischen Ländern hat Corona die Alten zuerst und am härtesten getroffen, weil sie medizinisch die bekanntermaßen größten Risiken tragen.
Dass der Sensenmann allerdings so unbarmherzig durch diese Alterkohorten ging, ist zum größten Teil der Privatisierung und Ökonomisierung der Altenpflege in fast allen westlichen Industrieländern zuzurechnen.
Selbst die, die ihre Alten selber und zu Hause pflegen, werden mit der Aufgabe weitgehend alleine gelassen (Stichwort: Entlastungspflege...) und stattdessen mit einer brutalen Bürokratie konfrontiert - der einzige Aufgabe das Fernhalten der Leistungsberechtigten von den politischen Versprechen ist. Jeder der mal mit Pflege, Krankenkasse und dem MDK zu tun hatte, weiß, wovon ich rede.
Weil diese Privatisierung eigentlich schon gescheitert ist, haben praktisch alle Länder und Kreise Fonds aufgelegt, die die sozialen Härten bei der Unterbringung in Pflegeheimen abfedern, um die Leichen nicht öffentlichkeitswirksam aus den Wohnungen tragen zu müssen.
Selbstverständlich hat die Politik das nicht nur in Kauf genommen, sondern das ist ein Teil des Plans.
Richtig wäre, die Alterssicherung und Altenpflege als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe vollständig aus Steuern zu finanzieren und dann im Wesentlichen auch staatlich anzubieten. Einheitliche Maßstäbe, Kontrollen, gute Ausstattung, Tariflöhne...
Insofern könnte man der Impfkapagne und -priorisierung unterstellen, dass eine der Aufgaben darin bestand, das entwürdigende System der Altenpflege zu retten. Soweit würde ich nicht gehen, aber ich würde diesen Gedanken auch nicht ignorieren.
Nur Nowak will das nicht wahrhaben, denn es diente dann nicht mehr seiner Argumentation...
Ein weiteres Problem ist, dass die Aufrechnung der Härten auch vollkommen sinnlos ist, weil jedem klar ist, dass der Produzent von Impfstoff das Geschäft seines Lebens macht - und andere nicht. Aber darauf kommt es nicht an, es kommt darauf an, dass die, die besonderen Härten ertragen müssen, auch mit sorgfältiger Hilfe rechnen dürfen. Das nennt man Solidarität. Das Gegenteil davon ist, wenn die Telekom ihre Verkäufer in Kurzarbeit schickt und gleichzeitig Milliarden an die Aktionäre ausschüttet - und damit das gesamte unternehmerische Risiko, das man sich stets vergolden ließ, auf die Allgemeinheit abwälzt.
Links ist solidarisch, rechts ist egoman.