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mehr als 1000 Beiträge seit 12.09.2014

Interessant wird's, wenn die Kassen leer sind

Zur Zeit gibt es in meinem Betrieb (Flughafen), in meiner Abteilung (Ladeplanung und Abfertigung), Kurzarbeit. Angemeldet sind 50%.
Nun hat es einige "alte Hasen", die ohnehin dank alten BAT-Verträgen etwa 200-300% von dem verdienen, was auf meinem Gehaltszettel (bei gleicher, bzw. sogar mehr Arbeitsleistung) am Ende des Monats herauskommt, die jetzt vollständig zuhause bleiben - 100% Kurzarbeit. Dank Aufstockung durch den AG bekommen diese 80% vom Durchschnittsnetto.
Gleichzeitig sind da aber auch noch die jüngeren Kollen, mich selbst eingeschlossen, die jetzt weiter schaffen gehen und im Schnitt auf 50-75% Arbeitszeit kommen. Diese erhalten dann *Trommelwirbel* 80% vom Durchschnittsnetto. Mit mehr als 75% wären es immerhin 85%. D.h. doch letztlich, derjenige, der noch bereit ist, arbeiten zu gehen, wird am Ende bestraft, weil er keinen Cent mehr erhält (eher weniger!) als derjenige, der es sich zuhause gleich gemütlich gemacht hat.

Interessant wird es aber dann erst, wenn in wenigen Monaten, denn mindestens solange wird es dauern, bis wir wieder überhaupt in Richtung "Normalität" steuern, wenn überhaupt, die Kassen der Arbeitslosenversicherung, aus denen ja das KUG bezahlt wird, sich angesichts des Millionenheeres der Leistungsempfänger vollständig geleert haben werden. Wird es dann irgendwann heißen "KUG gestrichen", nur noch ALGII-Niveau, oder gar kein Geld mehr? Immer ist dabei zu bedenken, dass der jetzige Fall eines nahezu kompletten Brachliegens der Wirtschaft nie einkalkuliert war und auch die Sozialsysteme letztlich auf ein gewisses Restniveau an Wirtschaftsleistung angewiesen sind. Vor diesem Hintergrund ist wohl auch das Rufen nach Lockerungen zu verstehen...

Gleiche Betrachtungen sind aber für alle Sozialversicherungen angebracht, von ALGII bis Rente. Wenn die Einzahlungen versiegen, ist irgendwann auch das Ende der Leistungsfähigkeit erreicht. Und was dann?!?

Wenn aber gleichzeitig milliardenschwere "Rettungspakete" für Konzerne geschnürt werden, aus denen erwartungsgemäß am Ende eben nicht Löhne und Sozialversicherungen bezahlt werden, sondern die Bezahlung des Managements und deren panische Aktienkäufe zwecks Kursstützung (und späterem Profit) primär sichergestellt wird, wo dann die "Verwaltung" gerettet wird, statt der operativen Belegschaft, so weiß dann auch der "Pöbel", aka "operativer Beschäftigter", wo sein Platz in der Nahrungskette tatsächlich ist.

Und ehe es heißt, ich würde hier nur Neid schüren... Ich gönne den "Frontkämpfern" an den Supermarktkassen, dem Pflegepersonal, etc. jeden Cent, der ihnen jetzt als "Gratifikation" (und die ist noch deutlich zu niedrig!) zukommt. Nur ist die Verhältnismäßigkeit zu denen, die jetzt bequem im Home-Office hocken und von dort "verwalten" können (bei uns die gesamte administrative Ebene) und sich von ihren üppigen Gehältern, die natürlich nicht der Kurzarbeit unterworfen sind, und die jetzt von der Politik gepampert werden, erneut mal wieder nicht nachvollziehbar. Auch dem Mittelstand, der Gastronomie und dem zwangsstillgelegten Kleinunternehmer sei jede finanzielle Hilfe durchaus gegönnt (wobei auch viele abgreifen, die ihren Betrieb nicht nur ungestört weiterbetreiben können, sondern sogar noch hochfahren - gerade im Handwerk, wo jetzt ein wahrer Bauboom ausgebrochen scheint), weil sie da noch am ehesten bei denen ankommt, die tatsächlich unverschuldet in Not geraten sind.

Das schlimme ist halt, dass die medialen "Helden" am Ende dafür, dass sie sich der Gefahr tagtäglich aussetzen müssen, am Ende einen feuchten Händedruck und ein symbolisches Almosen bekommen werden, während dann die Manager sich bei den nächsten Boni für das "vorbildliche Bewältigen der Krise" einen fetten Schluck aus der Pulle gönnen dürfen und dann sogar noch als die "wahren Helden" hingestellt werden, die alles so wunderbar koordiniert und die Not verwaltet haben. Ohne die hätten die "Helden" an der Front ja gar nicht arbeiten können... (Ja, die Notaufnahme müsste umgehend geschlossen werden, wenn der Verwaltungschef, der Personaler oder der Bilanzbuchhalter nicht verfügbar ist...)

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Sorry für den rant, aber mir platzt derzeit vor Perspektivlosigkeit, Existenzangst und allgegenwärtiger Panik, nicht jedoch aus Angst vor einem Virus (!), schnell mal die Hutschnur. Man wird halt irgendwann bei all der omnipräsenten Kopflosigkeit auch selbst mal dünnhäutig...

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