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  • Artur_B

mehr als 1000 Beiträge seit 09.09.2004

Die vergessenen Denker

"Für die Sunday Times ist die "Mont Pelerin Society" "der
einflussreichste, aber unbekannteste Think Tank der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts"". 

Ja wieso das denn? Das System, das wir heute haben, ist ja nicht aus
dem Nichts entstanden, es gab durchaus Vordenker, welche unsere
heutige Realität prägend gestaltet haben. Die aber versteckt man.
Wieso denn das?

Jetzt, wo diese ausgegraben und als Ursache allen Übels angeprangert
werden, sollte man sich erst einmal mit ihnen befassen. Sonst
passiert wieder dasselbe wie bei den Kommunisten: als ihr System
gescheitert war, stellte man fest, sie seien eben doof gewesen. Womit
die Chance, etwas aus ihrem Scheitern zu lernen, wieder mal gründlich
vertan war.

Lasst mich erstmal etwas Nettes sagen: die Moderne zeichnet sich
dadurch aus, dass sie dem Individuum die Freiheit zur Gestaltung des
Daseins selbst überlässt. Nicht mehr der Staat soll die persönliche
Lebensgestaltung vorschreiben wie im Mittelalter, vielmehr darf jeder
und jede den persönlichen Lebensstil selbst wählen. Statt dessen
tritt ein System gegenseitiger Beobachtung in Kraft, das es den
Individuen erlaubt, sich die eigene, passende Lebensweise selbst
herauszusuchen.

Diese Denker nun wollten dieses begrüßenswerte Prinzip einfach auf
die  Wirtschaft übertragen, nichts anderes will der Neoliberalismus
in seinem Kern. Da ist ein Markt, der Erfolg und Scheitern
produziert, der Einzelne kann daraus seine Schlüsse ziehen und für
sich selbst eine geeignete Strategie finden. Außerdem sei eine
Wirtschaft, in der alle Subjekte in der Lage seien, ihre Information
einzubringen, einer Planwirtschaft überlegen, in der eine kleine
Führungsschicht sich anmaßt, alle Informationen zur Führung einer
Wirtschaft erkennen und umsetzen zu können.

So weit so gut. Übersehen aber wurde, dass dieser so gedachte "Markt"
in praxi nicht zu haben ist, dass sich aus ihm heraus Subjekte
bilden, die die Freiheit, welche auf dem Papier besteht, gleich
wieder zunichte machen. Dass sich Konzerne zu Monopolen entwickeln,
welche dann auch den Staat für ihre Bedürfnisse zurichten, das haben
sie schlicht und einfach nicht zur Kenntnis genommen. Deshalb haben
sie auch nie die offene Feldschlacht mit den Linken gewagt, denn die
hätten sie verloren. Ihre einzige Chance, ihre Vorstellungen
umzusetzen, bestand darin, die Medien soweit zu bringen, dass diese
ihre Ansichten als altenativlos und über jede Kritik erhaben
dargestellt werden. Genau das ist dann passiert. Wir hatten ja
neulich Interviews mit Jungpolitikern der CSU und der Grünen und
denen merkte man an, dass sie nie etwas anderes als die
Gedankenfetzen Hayeks und Friedmanns gehört hatten. Das wird so nicht
bleiben, schätze ich: auch diesen aufstrebenden Nachwuchskräften wird
eine Expedition zur Erkundung des Tellerrandes nicht erspart bleiben,
von wo aus Karl der Gleichmacher und Wladimir Illitsch der
Kolchos-Kommandant zu sehen sind.

Interessant ist nun, dass beide Ideologien, der Kommunismus und der
Neoliberalismus am selben Punkt gescheitert sind. Die komplette
Abschaffung des Staates, bzw. die Reduzierung desselben auf einen
Nachtwächterstaat sind grandios gescheitert. Am Ende hatten beide ein
riesiges Staatsmonster erzeugt ohne das ihre Fortexistenz nicht
möglich gewesen wäre.

Vielleicht ist das der Ansatz, der jetzt weiterhilft: Etatismus, die
Dinge aus der Sicht des Staates betrachten. Gerade der Versuch,
denselben nicht abzuschaffen, könnte der Schlüssel dazu sein, ihn auf
erträgliche Größe zu reduzieren.

Gruß Artur 


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