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  • hdwinkel

mehr als 1000 Beiträge seit 16.06.2012

Kriegsgründe

Die Feststellung des Autors ist definitiv richtig, dass sich der Westen entscheiden muss, ob er diesen Krieg führen will oder halt nicht.

Um diese Entscheidung zu erleichtern, sollte man sich über die Kriegsziele und -gründe im Klaren sein und nicht irgendwelchen Spekulationen folgen.

Für eine Dominotheorie, nach der Russland nach der Ukraine nicht haltmachen, sondern weiter westwärts marschieren würde, gibt es keinerlei Beweis. Es sprechen sogar viele Gründe dagegen. Das Argument der Verteidigung der westlichen Freiheit zieht also eher nicht.
Russland wird wohl kaum Polen oder ein anderes Nato Land angreifen, um dann eine extrem feindliche Bevölkerung dauerhaft in Schach halten zu müssen.

Was sind jetzt die Kriegsgründe?

Ich selbst sehe nicht so sehr ein Expansionsstreben Russlands, das selbst bereits das flächenmäßig größte Land der Welt ist. Es gibt viele Indizien dagegen.
Transnistrien z.B. hat bereits vor 20 Jahren ein Aufnahmebegehren an Russland geschickt, ohne Erfolg. Auch der abtrünnige Donbas wollte sich explizit Russland anschließen, ebenfalls jahrelang ohne Erfolg.

Russland fürchtet sich vor der Nato? Nicht wirklich. Das ist eher eine russisch-innenpolitische Ausrede und Ausnutzung der berechtigten oder nicht berechtigten internationalen Vorbehalte gegen die Nato, speziell die USA.
Zumindest was die Furcht eines Überfalls durch die Nato anbelangt, existierte die in Russland nicht wirklich.

Was bleibt dann noch?
Richtig, Nationalismus.
Ich selbst halte den Ukrainekrieg für einen späten Abkömmling der sowjetischen Erbfolgekriege, wie es sie in verschiedenen Randgegenden der Sowjetunion mal mit mal ohne Russen mehrfach gegeben hat. Weil die Nachfolgestaaten der SU damals einfach administrative Grenzen übernommen hatten, die in großen Teilen der Bevölkerung nicht akzeptiert waren.
Abchasen bzw. Osseten waren seit Jahrhunderten spinnefeind mit den Georgiern.
In Berg-Karabach standen sich Aserbaidschaner und Armenier gegenüber. In Transnistrien rumänische und russisch-ukrainische Nationalisten.
Im Baltikum gab es keinen Krieg, aber immerhin wurden große Teile der russischen Minderheit zu Staatenlosen erklärt.

Das gemeinsame Muster ist, dass die neuen Nationen Nationbuilding auf Kosten ihrer Minderheiten betrieben haben und immer noch treiben. Also mehr Nationalismus als Freiheit und Demokratie.

Die Ukraine ist jetzt die Fortsetzung dieses Prozesses um die 'richtige' ukrainische Geschichte.
Es ist kein Zufall sondern tatsächlicher Mit-Grund für den jetzigen Krieg, dass westliche Ukrainer unter der Flagge Banderas 2014 die Ostukraine entrussifizieren wollten.
Nur dass sie mit Russland einen ebenso nationalistischen Gegner mit viel mehr Ressourcen vorfanden.

Und die entscheidende Frage für uns: Wollen wir uns an diesem Erbfolgekrieg beteiligen?
Ich will das eigentlich nicht.
Aber wer bin ich schon, ich lehne ja ohnehin die allermeisten Kriege ab.

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