Polybios ist einer der drei Verfassungsrotationsgriechen (die anderen beiden sind Platon und Aristoteles). Der Begriff der Demokratie ist stark von ihm geprägt. V.a. was der ominöse "demos" sein soll, der da herrschen soll. Spoiler vorneweg: Der demos ist garantiert nicht das Volk. Aber erklären wir noch ein bißchen Polybios: Also man kann gut und schlecht herrschen, schlecht geherrscht wird immer dann, wenn die Menschen egoistisch sind. So wird die gute Monarchie zur bösen Tyrannei, die gute Aristokratie zur bösen Herrschaft der Oligarichen und die gute Demokratie wird zur bösen Ochlokratie. Das alles läuft kreisrund und am End vom Kreis gehts grad wieder von vorne los.
So, wir beschränken uns hier auf die Begriffe Demokratie und Ochlokratie.
Der "demos", was ist er? Wer kann überhaupt Teil des "demos" sein, also ein Demokrat? Polybios macht Kriterienliste für Abcheckerhäkchenmaler: Also der Demokrat muß tugendhaft und sittsam sein (mit sittsam ist nicht gemeint, daß er Weibern oder Knaben entsagt, sondern daß er nach althergebrachten Gebräuchen der Ahnen lebt, nach Altvätersitte, mos maiorum), weiter muß der Demokrat finanziell unabhängig sein (und damit meinte Polybios Leute, die wir heute Millionäre + X nennen würden) und der Demokrat muß außerdem das Wohl Stadt im Auge haben (richtig, Flächenstaaten hatte Polybios nicht so sehr im Sinn, sondern die antike Polis), der Demokrat muß positiv visionär sein, gleichzeitig aber nicht verschwenderisch: Also in der Freien Hanse- und Handelsstadt Athen fordert der Demokrat vielleicht EIN neues Hafenbecken, weil es der Stadtentwicklung, der Flotte Athens dienlich ist. Aber keine zwei. Und auch kein pompös-prächtiges Hafenbecken. Das wäre Verschwendung. Last not least ist der Demokrat ein Altruist, der gar nicht egoistisch ist: So fordert er das Hafenbecken also niemals nicht, weil er selbst Hafenbeckenbauunternehmer ist. Oder sein Schwager: Egoismus ist ganz schlimm bei Polybios.
Dies also ist kurz skizziert der Demokrat. Der reiche Ratsherr, Patrizier, Zunft- oder Gildenmeister, der weise Stadtvater, der Honoratior. Eine Runde Karussell im Spatiotemporalrelokator, col.: Zeitmaschine: Die Brem'sche Bürgerschaft, wenn bei der Schaffermahlzeit von Haus Seefahrt die Kaufleute und Kapitäne der Stadt bei Fettfraß und Meerschaumpfeiffe zusammensitzen, die wichtigen Dinge und die Zukunft der Stadt besprechen: DAS ist Demokratie. Oder wenn die ehrlich-redlichen fleißigen Zürcher Zunftmeister in ihren Zunfthäusern dasselbe tun. Wenn die Handelsrepublik Venedig über 1000 Jahre das Mittelmeer und angrenzende Gebiete (Byzanz war immer so ein Problembär) rockt: Die Brüder von der Loge & der Oberdoge. Der geflügelte Wappenlöwe der Venezianer hält ein Buch, wo steht: "Friede sei Dir, Markus, der Du mein Evangelist bist." Friede mit Markus. Und Krieg allen Nichtmarkussen: Werd beim Handel nicht gleich weich, denn sonst wirst Du auch nicht reich: Wenn jemand ihre Handelsmonopole & Zoll- und Steuerbefreiungen bedrohte, hatte die Republik Venedig kein Problem damit, die Flotte zu mobilisieren. Rauben & Plündern. Das würde Polybios wieder sehr gut gefallen, für Athen und die Demokratie. Ist ja nicht so, als ob es die Athener anders gemacht hätten.
Ach ja: Neger, Juden, Fremde, Frauen, Sklaven oder sowas: DAS ist natürlich niemals Demokrat. Nicht daß hier falsche Vorstellungen aufkeimen. Denn wenn das passieren würde, wenn zudem auch noch die Demokraten egoistisch sind: Dann haben wir keine Demokratie mehr. Dann würde Polybios weinen, weil der Egoismus und die Schlechtigkeit der Menschen sich Bahn bricht, weil dann die Demokratie sich entartet und zu etwas Perversbösem wird: Der Herrschaft des Pöbels, der Ochlokratie.
Die Schweiz mit ein paar ochlokratischen Elementen fährt damit ganz gut. Frei & föderal ist man auch, aber eben auch ochlokratisch. Das geht schon. Denn Polybios ist ein Idealist und kein Realist. Und deswegen stimmt alles nicht. Kardinalfehler des P. ist die Vorstellung vom Nichtegoisten. Den gibt es nämlich nicht. Es gibt 7 Mrd. kleine rationale Nutzenmaximierer auf diesem Planeten, aber keinen einzigen Nichtegoisten. Weswegen es Systeme wie Tyrannis, Oligarchie und auch Ochlokratie permanent gibt, in verschiedenen Versionsvariationen, aber niemals so etwas wie den guten Monarchen, die noble Herrschaft der Edelmänner oder auch die weise Herrschaft der reichen Ratsherren aka Demokratie. Polybios malt Einhörnchen. Nur weil der Mensch Einhörner denken kann, nur weil er sich Demokratie vorstellen kann: Gibt es diese Dinge noch lange nicht. Theorie & Empirie, Phantasie & Praxis, Geist & Welt, Deduktion & Induktion. Wie immer man dererlei dialektisch nennt: Not so, Utopia wohnt anderswo.
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Reichtum ist für den Demokraten conditio sine qua non, Reichtum ist VORAUSSETZUNG für Demokrat. Zu kritisieren, daß nur der reiche Demokrat sein kann, heißt: Polybios haben wir schon mal nicht verstanden.
Ochlokratie ist anders, ja also da könnte man was mit Nichtreichen machen. Geht. Flankiert von Freiheit und Föderalismus geht Ochlokratie. Schweiz beweist es. Das geht da so:
ALPENOCHLOKRAT! Singe er den Schweizerpslam, steig er runter von der Alm, geh er mindern oder mehren, die Landsgemeinde ehren. Zu seinem eignen Behuf, zu Nutz- und Frommen: Möcht er kommen. Mag er die Macht des Volkes sehr: Bringe er auch sein Gewehr. Dies sei Ausweis seiner Macht, denn ohne Macht ist dunkle Nacht. Alles was der Fall, steht im Memorial. Da steht, was geht. Bürger X, der gerne hätte, eine Kindertagesstätte. Hierfür Taler vom Kanton. Hattemerschon, Hattemerschon letztes Jahr, mache mehr auch diesmal nicht. Denn der alte Kindergarten tut es auch und das spart Geld und Steuern, da muß man nix erneuern. Meinen die Bürger M & M namens Mehrheit & Majority.
jt