Diese Reaktion zeigt exemplarisch, welch kurzes Gedächtnis trotz nie gekannter Informationsflut doch so vorherrscht, wie sich vor allem Jüngere aus wenigen Soundbytes und Voruteilen ihr Weltbild zimmern. Als es nur 6 Fernsehprogramme und kein Internet gab, konnte man sich wenigstens die wichtigsten Informationen noch einprägen.
Blüm war immer Arbeitsminister einer Koalitionsregierung, in der eine neoliberale Partei mitregierte. Er hat sich zu Zeiten, als es noch unpopulär war, für die Einführung eines „demografischen Faktors“ bei der Beitragsberechnung stark gemacht und im Rahmen seiner Möglichkeiten auch durchgesetzt und vehement für die umlagefinanzierte Alterssicherung gekämpft, als auf allen Kanälen das Lied von der privaten Altersvorsorge bei gleichzeitiger Belächelung der Rentenversicherung gesungen wurde. Er hat mit „Die Rente ist sicher!“ gegen diesen Mainstream anzukämpfen versucht, um dann zu erleben, dass genau diese zukunftsweisende Retenreform, die uns, weil rechtszeitig eingeführt, heute manche Enttäuschung erspart hätte, 1998 ausgerechnet von einer rot-grünen Koalition wieder kassiert wurde.
Von Beginn an hat Norbert Blüm gegen die Hartz-IV-Gesetzgebung des rot-grünen Kabinetts Schröder II gekämpft. Da war er allerdings in seiner eigenen Partei bereits einflusslos und nicht mehr Mitglied des Bundestages oder eines wichtigen Gremiums seiner Partei, weil er als Ikone der Kohl-Ära in der merkelisierten CDU isoliert wurde.
Leider wird seine Aktion „Die Rente ist sicher“, die im obigen Kontext gesehen werden muss, im kollektiven Gedächtnis der Generation Facebook als regelmäßig verwendetes Stock-Foto in den Medien visuell falsch verknüpft.
Heute sind wir in der Diskussion der Rentenfinanzierung angesichts aberwitziger 0-Prozent Zinsen und des Kollaps der privaten Altersversorgung (teilweise) schlauer, ziehen aber daraus in der öffentlichen Wahrnehmung schon wieder die falschen Schlüsse. Weil wir ein kurzes Gedächtnis haben.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (17.03.2016 16:26).