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  • WhistleBlowingintheWind

44 Beiträge seit 12.06.2014

Re: Heute habe ich mal Lust auf Rot

Das Problem ist oft, das die systematisierte technisierte
strukturelle Gewalt gegen Einzelfallgewalt nicht wahr genommen wird.
Die klinisch-reine Darstellung eines Bombereinsatzes zeigt eben nur
das, was oberflächlich sauber ist. 

Meinen Sie Sprengköpfe sind nur Kuschelkissen? Was glauben Sie
eigentlich was für ein Gewaltexzess hinter dem Knöpfchen drücken sich
abspielt? 
Nur weil der Gewaltakt an sich eine chemische Reaktion und somit ein
erweiterter technischer Arm ist, macht der Täter nichts anderes. Es
ist nur der weniger offensichtliche Punkt, das die Qualen und das
Quälen nicht mehr gesehen wird und ausgeblendet werden kann. Das
Sterben ist mitnichten für jedes Opfer verkürzt, sondern dauert
mithin Ewigkeiten durch Verletzungen, abgerissene Gliedmaßen,
Splitter im Magen/Darm Bereich, innere Verletzungen, Verbluten und so
weiter. 
Während ein noch so ekelhafter Hinrichtungsprozess einer in Macht-
und Blutrausch stehenden Gruppe gegenüber bettelnden Einzelpersonen
extrem abscheulich anzuschauen ist und verurteilenswert, bleibt es im
Grunde genommen dasselbe. Nur bei einem Prozess wird ein Knöpfchen
gedrückt ohne das Wissen der Opfer, man sprengt sie einfach in die
Luft, ungefragt, ungewarnt. Von jetzt auf gleich liegen Menschen in
ihrem eigenen Blut mit halb zerfetztem Leib. Mal mehr Betroffene, mal
weniger. 
Glauben Sie, das diese Opfer nicht genauso gebettelt hätten, wenn Sie
die gelegenheit hatten? Der Pilot jedoch hätte wohl vermutlich
geantwortet: Ich führe nur einen Befehl aus.

Das Problem ist also nicht, das eine widerliche Hinrichtung schlimmer
ist, sondern sie ist näher am Geschehen und das Hinrichtungsopfer
sieht den Tod direkt und weiß um seine Ausweglosigkeit und sein
Ausgeliefert sein. 

Es ist aber in beiden Fällen dasselbe ein Schlachtvorgang. 

Ihre Wahrnehmung ist hier verzerrt, weil Sie sich von der Propaganda
vereinnahmen lassen, weil sie sich gemein machen mit der einen Gewalt
um gegen die andere Gewalt mit Gewalt vorzugehen. Das ist das Ziel
derer, die solche Propagandastücke vom Feind verbreiten: Es dient der
Rechtfertigung der eigenen Gewalt. Sie sind schon darauf
reingefallen. Auf der Anderen Seite werden solche Bilder bzw.
Drohungen seit Jahrtausenden, seit es Krieg gibt dafür verwendet,
Angst und Schrecken zu verbreiten und die Kampfmoral des Feindes zu
schwächen und sich gleichzeitig selbst zu feiern als härtester
Kämpfer. Man unterstreicht die Entschlossenheit, die eigene
Kampfbereitschaft. Man gibt zu Protokoll, das es keine Lösung geben
kann ausser den eigenen Sieg. Es hat einen strafenden Aspekt
gegenüber dem Feind (oder was die Kombatanten jeweils dafür halten).
Die Rücksichtslosigkeit und Gewalt, Propaganda und Lüge sind das
Geschäft des Krieges. Es war nie anders, wird nie anders sein, bis
Kriege aufhören. 

Das Problem an der Gewalt ist nicht ihre individuelle
Erscheinungsform, sondern das sie überhaupt eingesetzt wird. Das
schafft ein System von Macht zwischen denen, die Gewalt für ihre
Zwecke einsetzen und denen, die das nicht machen (können). Macht
erzeugt Ohnmacht - Und genau das ist die Situation, die solche
Propagandavideos ausmacht und schwer verdaulich ist. 

Mir dreht sich jedoch bei jedem Militärflugzeug das ich sehe, bei
jedem Panzer, bei jeder Kriegswaffe der Magen um. Jeder einzelne
johlende Kriegsbericht, jede Bunkerbuster-Demonstration, jede
militaristische Waffenshow und jeder Rüstungspakt. 
Denn es ist immer dasselbe: Eine Drohung, die brutale Präsentation
eines Hinrichtungswerkzeugs und eine Warnung an den etwaigen Feind:
Ich bin entschlossen, ich habe die Mittel, ich habe die Macht dich
auszuradieren! 

Es ist im eigentlichen Sinne also nie anders als ein Gewaltvideo mit
Hinrichtungsszenarien. Nur muss man die Abstraktionsstufe dabei
durchschauen, das ist nicht so leicht. 

Beste Grüße

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