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  • ramzessan

263 Beiträge seit 10.08.2022

Aber das Gift wird doch freiwillig genommen!

Katchanovski beschäftigt sich schon seit langem mit dem Konflikt in der Ukraine. [...] Er macht dabei auch klar, worum es ihm geht bzw. nicht geht: Statt auf Verlautbarungen und Propaganda will Katchanovski sich auf "Belege, akademische Konzepte und Theorien" stützen, die "Kriege in nicht-parteiischer Weise" untersuchen.

Katchanovski betreibt Forschung für Leute, die diese Forschung streng genommen nicht mehr nötig haben. Nicht, dass die Arbeit vergebens wäre, aber lautstarke Fanatiker wird er hier und jetzt mit seiner Methodik nicht überzeugen können. Denn: auf logischer oder sonstwie wissenschaftlicher Ebene wird nicht argumentiert, weil es nicht nötig ist und es viel bessere Methoden gibt. Der Mensch ist nun einmal Mensch und das wird schamlos ausgenutzt (außer natürlich, man hört auf Experten wie Katchanovski, denn Autoritäten würden so etwas nie tun!)

Zu bequem ist es, sich von den schönen und schlüsselfertigen Erzählungen auf allen Seiten mitreißen zu lassen. Belege sind irrelevant, solange sie die eigene Seite nicht stützen, die akademischen Konzepte unvernünftig, wenn sie der eigenen Seite widersprechen und die Theorien falsch, wenn nicht rauskommt, was rauskommen soll. So einfach gehts!

Um nur ein paar Beispiele zu bringen: Niemand kann erklären, wie zivile Opfer im Krieg zu vermeiden wären. Trotzdem wird immer herausgestellt wie präzise und vorsichtig und betrübt man selbst und wie barbarisch und widerlich und verachtenswert der Feind hinterher doch ist. Niemand kann schlüssig erklären, wie sich ein heldenhafter von einem feigen soldatischen Tod unterscheidet, weil man hier gerne vergisst, verdrängt oder sich noch nie dessen bewusst war was ein Soldat eigentlich beruflich tut. Niemand kann schlüssig erklären, warum Pazifismus die abnormale und Kriegstreiberei die normalere Position sein soll. Niemand kann die "Werte" näher definieren, die hier angeblich auf allen Seiten von allen Seiten verteidigt werden, ohne in Zirkelschlüsse zu verfallen. Aber mit dem induzierten Bewusstsein, auf all diese Fragen die passende Antwort zu haben, wird die Zustimmung zum Krieg hergestellt.

Urteils- und Differenzierungsvermögen sowie Empathie werden zuverlässig und mit voller Absicht durch nicht hinterfragbare, vorgefertigte Kategorisierungen, falsche Analogien und schöne Heldengeschichten betäubt. Und es wird in großen Teilen freiwillig mitgemacht - niemand wird gezwungen, jeden Schmarrn zu glauben, der einem an den Kopf geworfen wird. Und ist der Krieg vorbei, kommt der nächste Satz Geschichten - und Katchanovskis Studien verschwinden in der Rumpelkammer.

(Wie wird Katchanovski reagieren, wenn nach dem Konflikt erwartungsgemäß Fakten auftauchen werden, die einen noch unbekannten Anteil seiner Studie ungültig oder gar lächerlich werden lassen? Und kennt Katchanovski sich selbst gut genug, um sich eine nicht-parteiische Analyse von überhaupt irgendetwas zuzutrauen? Probleme, die es in schönen Geschichten nicht gibt, weil ohne Logik lebt sichs leichter.)

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (20.10.2022 18:14).

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