franz (12) schrieb am 21.10.2022 15:56:
Bei dem Vergleich der ukrainischen mit der russischen Staatspropganda darf man keine einzelen Aussage betrachten, sondern man muss möglichst viele (eigentlich alle, betrachten, die zugänglich sind) Behauptungen aus beiden Propagandismen miteinander vergleichen. Sie machen den Anfängerfehler, dass aus einem Einzelfall auf die Gesamtheit geschlossen wird. Sie sind also der Meinung, wenn die russische Staatspropaganda in einem bestimmten Fall (Krieg und Spezialoperation) etwas falsches behauptet, dann müssen sämtliche Aussagen der russischen Staatspropagande falsch sein. Ich empfehle, dass Sie sich intensiver mit den Prinzipien der rationalen Diskussion beschäftigen. Unterhaltsam ist das Büchlein von A. Schopenhauer: "Die Kunst recht zu behalten." Aber, keine Bange, Sie werdenn das noch lernen. Übrigens, meine bisherigen Auswewrtung des Vergleichs zwischen beiden Propagandismen führt zu dem Ergebnis,, dass der russischen Propaganda mehr zu trauen ist.
Wenn die Ukraine etwa keinerlei Angaben zu Verlusten von Panzern oder anderer Militärausrüstung macht, dann hat das nachvollziehbare psycholoogische, motivationelle und kriegstaktische Gründe und kann mit einem Augenzwinkern als "Weglassen von Informationen" in der Not angesehen werden. Verständlich und nachvollziehbar.
Das könnten Sie etwa mit Russlands offensichtlichen gelogenen Angaben zu Verlusten in den eigenen Truppen entgegenstellen und sagen: OK, da macht einer keine Angaben und der andere gibt nur 10% der eigenen Verluste zu.
Wenn aber jemand Ihnen ins Gesicht lügt und ernsthaft behauptet, dass die Sonne nicht tagsüber scheint, sondern ausschließlich nachts, dann werden Sie dieser Person grundsätzlich keinen Glauben mehr schenken, weil sie bereits ganz basal, grundsätzlich die Realität verdreht und eine neue, private Realität erschafft, die mit einer objektiven Realität nichts zu tun hat.
Bei allen nötigen Respekt: Ich bezweifel sehr, dass Sie der russischen Seite mehr glauben oder Vertrauen als Resultat ihrer vergleichenden Analyse schenken, denn dazu hätten sie - mit Verlaub - gar nicht die Möglichkeit, sofern sie kein Mitarbeiter des Geheimdienstes sind und auf Millionen von primären Datensätzen sitzen, die sie ganz alleine auswerten und überprüfen können.
Vielmehr ist es viel wahrshceinlicher, dass Sie a priori Partei für die russische Seite ergreifen, aus Gründen, die vermutlich nur Ihnen bekannt sein dürften: vielleicht jaben Sie familiäre Bindungen dorthin, vielleicht stehen Sie im Dienst des russischen Staates, vielleicht wurden Sie als jemand der möglicherweise in OStdeutschland aufgewachsen ist mit einer gewissen Sehnsucht nach dem großen starken Bruder sozialisert etc etc..man könnte hier viele Mutmaßungen anstellen.
Ich hingegen kann Ihnen zwei Dinge sagen:
1. Es ist vollkommen klar dass dort wo Menschen - und zwar alle Menschen auf der ganzen Welt - miteinander interagieren, der objektivierbare und nachprüfbare Wahrheitsgehalt in der Kommunikation immer in einer gewissen Gefahr ist. Sogar Vertreter der katholischen Kirche, die sich der Nähe zur moralischen Unfehlbarkeit rühmt, wird immer öfter dabei erwischt, wie ihre Vertreter übelste Taten begehen und die Wahrheit darüber unter den Teppich kehren. Wenn Sie die attraktive Kollegin am Arbeitsplatz fragt, wie es Ihnen heute geht und sie sagen "mir geht's super, danke", dann ist das in in der Mehrzahl der Fälle schlicht gelogen, weil man keine Lust hat, über eigene Probleme zu sprechen.
Wen Sie ihrem Boss oder der Kassiererin "Guten Tag" wünschen, dann ist das meist geflunkert, weil Sie das meist eben nicht wünschen, sondern es aus Gewohnheit sagen.
Und so könnte man x weitere Beispiel nennen und aufzuzeigen, dass der homo sapiens sapiens ein notorischer Lügner ist. Irgend jemand hat mal ausgerechnet dass der Mensch im Durchschnitt über 100 Mal am Tag lügt.
Und natürlich betrifft das mich genau wie Sie und genau wie Menschen aus der Ukraine, aus Grönland oder eben aus St. Petersburg.
Damit will ich ausdrücken, dass kein Mensch behauptet, dass die Statements aus der Ukraine oder aus Deutschland oder aus Holland oder aus London alle unfehlbar, absolut richtig, vollkommen objektiv sind. Das sind sie sicher nicht, da alle direkt und indirekt Beteiligten natürlich gebiast sind in ihrer Wahrnehmung, diese aus der Summe der eigenen Erwartungen, Motive und Gefühle inerpretieren.
2. That being said, muss man als außenstehender Beobachter immer die Plausibilität sowie die menschliche Psychologie mit einbeziehen, wenn man sich einen unscharfen Eindruck davon verschaffen will, was denn nun eher einer objektivierbaren Wahrheit entspricht oder eher gelogen ist.
Und hier lässt sich feststellen, dass die russische PR ganz klar die Tendenz zur Konfabulation, zur kreativen Bearbeitung, ja und sogar zur Erschaffung einer rein instrumentellen Realität neigt, die sie sich oftmals noch nicht einmal die Mühe macht, plausibel erscheinen zu lassen, sondern als eigenen Machtanspruch definiert, dass das was der Führer sagt, das gemeine Volk gefälligst als Wahrheit anzunehmen hat, und selbst wenn behauptet, dass die Sonne nur nachts scheint.
Und das ist in der Summe und im Querschnitt der Aussagen die Schlussfolgerung, die ich ziehe: Russland bzw. das System Putin lügt, dass sich die Balken biegen, und dass man russischen Aussagen grundsätzlich sehr viel weniger trauen kann als Aussagen, die von anderen Parteien kommen.