serendipity (1) schrieb am 09.03.2021 13:55:
...deshalb ist die im Artikel geäußerte Vorstellung, die deutsche Regierung habe aus Interesse an bolivischem Lithium den Putsch gegen Morales begrüßt, seltsam.
Vermutlich hat sie sich mal wieder den USA gebeugt, jedenfalls konnte sie wegen dem bolivischen Lithium definitiv nicht froh darüber sein.Es war nämlich genau umgekehrt:
Altmaier & Co hatten gerade mit der Morales-Regierung den deutschen Exklusiv-Zugriff auf das mit Abstand größte bolivische Lithiumvorkommen, den Uyuni-See, über die deutsche Firma ACI Systems fix und fertig ausgehandelt, ein Riesensatz für die deutsche E-Autoindustrie.
Morales hatte Wert darauf gelegt, dass Bolivien bei diesem Joint Venture nicht nur Rohstofflieferant, sondern auch an der Wertschöpfungskette beteiligt wäre, und in Bolivien damit geworben.Einige der späteren Putschisten jedoch organisierten Protestbewegungen (Umwelt, Identity,...) gegen das deutsch-bolivische Projekt, und beschuldigten Morales, die Interessen der Einheimischen an die Deutschen zu verraten, sodass Morales dort Rückhalt in der indigenen Bevölkerung verlor (s. Proteste in Petosi).
Mit dem Rücken zur Wand stornierte Morales das Projekt kurzfristig, um den Putschisten Wind aus den Segeln zu nehmen, doch ein paar Tage später musste er dennoch fliehen.
Die Putsch-Regierung ernannte sofort Juan Carlos Zuleta, den größten Feind des deutsch-bolivischen Projekts, zum Leiter der bolivischen Lithiumgesellschaft und setzten damit einen Schlussstrich unter die deutschen Lithium-Ambitionen in Bolivien.Es kann also nicht sein, dass die deutsche Regierung wegen ihrem Lithium-Interesse froh über den Putsch gewesen wäre.
Merke: Man sollte nicht immer alles unhinterfragt glauben, was in Artikeln des "Referenzmediums" Telepolis suggeriert wird.PS:
Allerdings hat die Konrad-Adenauer-Stiftung den Putsch über ihre Filiale in Bolivien tatsächlich unterstützt mit der Begründung, transatlantische Beziehungen an Trump vorbei in Südamerika pflegen zu müssen.
Den Verlust des deutschen Lithium-Zugriffs hat die KAS dann ganz trocken als ungeplanten "Kollateralschaden" bezeichnet, diesen Eintrag aber später von ihrer Webseite gelöscht - kam wohl nicht so gut bei der deutschen Industrie an.
Danke für die ausführliche und bei Altmaier & Co + ACI Systems nachlesbare Geschichte.
Allerdings war die Beratung der Deutschen Ingenieure wertfrei, d.h. ein bestimmter (deutscher) Verwerter war NICHT präjudiziert und Bolivien in der Verarbeitungskette voll mit einbezogen.
Daher wohl die Putschisten unterstützende Haltung der Bundesregierung und Teilen der Grünen bzw. Linken.
Auch die Bundesregierung sowie Teile der Opposition hatten sich im vergangenen Jahr offen auf die Seite der bolivianischen Putschisten geschlagen. Unmittelbar nach Morales' Sturz behauptete Regierungssprecher Steffen Seibert, dieser sei ein "wichtiger Schritt hin zu einer friedlichen Lösung". Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, erklärte, "das Militär" habe "die richtige Entscheidung getroffen, sich auf die Seite der Demonstrierenden zu stellen"
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8102/
Allerdings konnte man davon ausgehen, dass geradie die Wertarbeit der Deutschen Berater ein Grundvertrauen von Morales für deutsche Firmen gestärkt hatte.
Was sich wohl bei dem Nachfolger Luis Arce so schnell nicht wieder herstellen lässt.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (09.03.2021 16:05).