Humayun schrieb am 27.03.2023 08:23:
Nur mal zur Kenntnis: das Budapester Memorandum garantierte ebenso die politische Souveränität der Ukraine, die zuallererst vom Westen mit der Unterstützung des Maidan-Staatsstreiches massiv verletzt wurde (Obama: "We've brokered transition of power"). Das wird natürlich immer gern unter den Teppich gekehrt und geleugnet - Regime Change ist aber auch sonst nicht vom Völkerrecht gedeckt, jedoch bei den USA gängige Praxis der "regelbasierten Ordnung".
Wäre es umgekehrt und die USA stationieren irgendwo Atomwaffen, dann würden sie natürlich keinesfalls irgendwen bedrohen, sondern nur "abschrecken" - was aber möglicherweise doch dann "missverstanden" wird. Siehe auch hier:
https://www.n-tv.de/politik/AKK-erntet-Kritik-fuer-Atomwaffen-Drohung-article22884414.html
So läuft dann das Framing, obwohl Russland im Gegensatz zur USA derzeit keine Erstschlagsdoktrin für einen Kernwaffeneinsatz besitzt: solange also keiner Russland angreift, wird auch niemand bedroht. Das heißt nicht, dass der aktuelle Schritt in Ordnung ist, aber es ist nicht gerade hilfreich, in der gegenwärtigen Situation diese aufgrund von Lügen weiter zu eskalieren (das gilt im Übrigen für beiden Seiten).
Wenn man im Westen ehrlich wäre, würde man (wenigstens sich selbst) eingestehen, dass alles das Folgen einer fortgesetzten Eskalation sind und man jetzt langsam einmal einen Plan entwickeln sollte, wo man eine Grenze setzt und wieder zu Methoden der Konfliktlösung übergeht, anstatt immer weiter - unkontrolliert - zu eskalieren. Das würde allen nützen, der europäischen Bevölkerung, allen voran aber auch der ukrainischen. Russland muss dazu gebracht werden, diesen Krieg zu beenden, die bisherigen Mittel waren darauf faktisch aber gar nicht angelegt, sondern eher dazu, den Einsatz unsinnigerweise immer weiter zu erhöhen (u.a. Frau Baerbock: "Russland ruinieren") - der uns aber ebenfalls immer weiter schädigt.
Die jetzt stationierten Waffen können nur Nicht-Atommächte treffen, nicht die USA. Die Fakten widersprechen der Doktrin, was soll man glauben? Wer Kurzstreckenwaffen mit extrem kurzer Vorwarnzeit direkt an der Grenze stationiert der erwartet keinen Angriff, sondern er will selbst angreifen bzw. mit einem Angriff drohen. Jede andere Interpretation ist unlogisch.
Ob die Verteidigung der Ukraine in der jetzigen Form die bestmögliche westliche Strategie gegen den Expansionsdrang Russlands ist, darüber kann man trefflich streiten. Aber dass es eine Gegenstrategie geben muss, das steht außer Frage. Das was sie vorschlagen eine Fortschreibung der Politik der 8 Jahre vor dem Krieg, die genau zu der jetzigen Katastrophe geführt hat, weil sie das Russlandbild der 90er fortschreibt. Hätte der Westen schon nach der Krim-Annexion mit einer konsequenten Vorbereitung auf den nächsten logischen Schritt Putins geantwortet und, wie von der Ukraine gefordert, VOR dem Angriff moderne Waffensysteme geliefert, dann hätte es den Angriff gar nicht gegeben.
Der Westen hat viel zu lange gebraucht, um auf die "Zeitenwende" in Russland hin zur Restauration der alten Sowjetunion (nur ohne Kommunismus) zu reagieren, spätestens mit dem Verlauf in Syrien war klar, dass der sinnlose amerikanische "Krieg gegen den Terror", bei dem die Amerikaner in den Russen naiverweise ihre Verbündeten sahen, vorbei ist und der Kalte Krieg neu beginnt.
Putin spekuliert darauf, dass er nur lange genug durchhalten muss, dass der Westen kriegsmüde wird und auseinanderbricht, die Amerikaner (nach einem eventuellen republikanischen Wahlsieg) die Unterstützung für die Ukraine einstellen und er dann die Ukraine einsacken kann. Das wäre dann die nächste wichtige Etappe bei der Restauration der alten Machtverhältnisse in Europa.
Das Gejaule über die bösen Amerikaner, die doch einfach die Ukraine dabei unterstützt haben, ins Lager des Westens zu wechseln, kann man wirklich nicht mehr ernst nehmen. Russland hat sich über Jahre massiv in die Innenpolitk der Ukraine eingemischt, genau wie in anderen Nachbarländern, die Putins Weg der Restauration der alten Sowjetmacht nicht folgen wollten. Der Kreml hat seinen eigenen Mann (Janukowitsch) selbst demontiert, indem er ihn in Moskau antanzen ließ, wo man ihn vor laufenden Kameras zur Rücknahme des schon beschlossenen EU-Beitritts nötigte. Auch auf dem Maidan hat Russland mitgeschossen und mitgezündelt, um die Demonstrationen in bewährter Weise niederzuschlagen - nur ging die ganze Sache nach hinten los, weil Russland seine Kräfte in der Ukraine überschätzt hatte. Tatsächlich gab es in der Ukraine 2014 einen vom Ausland gesteuerten Putsch - aber das war auf der Krim und im Donbass.