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  • jfmprof

844 Beiträge seit 24.09.2021

Re: Wie lange will man denn die Ukraine besetzen?

Just2Cents schrieb am 28.02.2022 09:24:

jfmprof schrieb am 26.02.2022 13:26:

Wenn Putin vom Westen Garantien haben wollte, daß die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen wird, so schränken diese nicht das Recht der Ukraine ein, um Aufnahme in die Staatenbündnisse zu ersuchen, denen sie beitreten möchte. Sondern es geht darum, daß sich die NATO verpflichtet, von ihrem Recht auf Ablehnung eines solchen Beitrittsgesuches Gebrauch zu machen,

Womit das Recht der Ukraine darauf frei zu entscheiden welcher politischen Gemeinschaft das Land angehören möchte praktisch ausgehebelt würde.

Das sehe ich nicht so. Wenn Frau X den Herrn Y nicht heiraten möchte, dann schränkt sie auch nicht dessen Recht ein, sich die Frau zu suchen, die er heiraten möchte und die ihn haben will.

Ich denke, das ist die falsche Analogie. Korrekt wäre: wenn Frau X und Herr Y heiraten möchte, dann sollten sie das tun - auch, wenn der Russe im Nachbarhaus etwas dagegen hat.

Klar, jeder Vergleich hinkt an irgendeiner Stelle. Es geht hier schließlich nicht um Liebe, sondern um ein Militärbündnis. Aber meiner Meinung nach wäre eine weniger aggressive Politik, bei der für die Ukraine eine Neutralität ähnlich wie Finnland ausgehandelt wird, ethisch vertretbar gewesen und für die in der Schußlinie befindlichen NATO-Staaten (zB Deutschland) vorteilhafter gewesen.

Eine andere Situation hätten wir, wenn die NATO ein Verein wäre, der die Sicherheit (vor militärischen oder terroristischen Angriffen) seiner Mitglieder organisiert und jedem Land offensteht, das sich an gewisse klar formulierte Spielregeln hält. Dann kann sie in der Tat nicht einfach den Aufnahmeantrag eines Landes (sei es die Ukraine oder die Russen) ablehnen, welche diese Spielregeln einhält. Eine Bedingung ist aber offenbar, daß der Aufnahmekandidat aktuell in keinen militärische Konflikt über einen Teil seines Territoriums verwickelt sein darf. Auf die Ukraine trifft das seit 2014 nicht mehr zu, auf die Russen aber schon.

Das würde an der grundlegenden Frage imho rein gar nichts ändern. Die lautet: hat ein Land A das Recht, für ein Land B die Entscheidung zu treffen, welchen Organisationen, Gemeinschaften oder sonstigen Verbindungen Land B beitreten möchte?

Die Antowrt darauf kann meiner Meinung nach und solange man freiheitliche und völkerrechtliche Gurundsätze zur deren Basis macht, nur lauten: NEIN!

Das kann schon sein, aber die USA haben zB auch nicht die Ausdehnung des Warschauer Paktes vor ihre Haustür akzeptiert.

Moskau möchte entscheiden was richtig für die Ukraine ist oder nicht.

Ich glaube eher, Moskau hat sich überlegt, was seinen Interessen dienlich ist. Wobei Moskau sich anscheinend auch als die Schutzmacht der russischsprachigen Bevölkerungsgruppe in der Ukraine sieht.

Was Moskau jedoch keineswegs das Recht gibt, in irgend einer Weise in die Souveränität der Ukraine einzugreifen.

Welches Recht hatte die USA, 2003 in die Souveränitat des Irak einzugreifen?

Hinzu kommt, was nun geschieht - das scheint dem Motto "hält sich Kiew nicht daran was Moskau möchte, dann kommt Moskau eben nach Kiew" zu folgen.

Das mag sein, aber ändert das etwas daran, daß die Politik der NATO gegenüber den Russen im günstigsten Fall fragwürdig war und bei weniger wohlwollender Einschätzung sogar als aggressiv angesehen werden kann?

In dem Fall hätte Moskau etwas mit der Nato zu klären, aber nicht in einen souveränen Staat einzumarschieren.

Es ging mir um die Frage, ob diese aggressive Politik gut für uns ist bzw. war (die Würfel sind ja nun gefallen). Putins Kopf wollte ich mir nicht zerbrechen.

Einmal abgesehen davon ist es fragwürdig, in einem Land, das man im Konfliktfall nicht ernsthaft verteidigen kann oder will, erst eine aggressive pro-NATO-Regierung zu installieren

Stop mal.

NIEMAND hat eine Regierung in der Ukraine INSTALLIERT. Die wurde demokratisch GEWÄHLT. Und zwar vom Volk der Ukraine, niemand anderem.

Dass es Moskau ganz und gar nicht gefällt, dass deshalb nun ein ehemaliger Komiker das Präsidentenamt dort inne hat und sich, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, mit standhafter Hartnäckigkeit weigert, nach der russischen Pfeife zu tanzen ändert daran genau gar nichts.

Klar, der Maidan-Protest war in keinster Weise irgendwie vom Ausland finanziert.

und es dann im Stich zu lassen, wenn dies zu einem militärischen Konflikt führt. Es sei denn, es ist der NATO gleichgültig, wenn sie überall verbrannte Erde hinterläßt.

Die Nato verbrennt keine Erde in der Ukraine. Das tut ganz allein Moskau.

Wenigstens in Syrien haben die Nato-Staaten aber eine Menge verbrannter Erde hinterlassen.

Sinnvoller wäre es gewesen, für die Ukraine eine Art Finnlandisierung auszuhandeln.

Ganz ehrlich: wenn ich irgendwo beitreten möchte, dann mache ich das, weil ich mit dem, dem ich da beitrete, fein bin und es zumindest aktzeptabel, oder gar gut finde. Aber ich erwarte nicht, dass man, damit ich beitrete, vorher alles so aufstellt, wie ich das gerne hätte.

Siehe oben, eine klar formulierte nachvollziehbare Liste von Aufnahmebedingungen scheint es nicht zu geben. Wenigstens wäre mir nicht klar, auf welcher Grundlage man Moskau die Aufnahme verweigern will.

Hast Du den Nordatlantikvertrag mal gelesen? Da heißt es bereits in Satz 2 der Präambel:

"Sie sind entschlossen, die Freiheit, das gemeinsame Kulturerbe ihrer Völker, gegründet auf die Prinzipien der Demokratie, auf die Freiheit des einzelnen und die Grundsätze des Rechts, sicherzustellen."

Das habe ich in der Tat nicht, aber für den Warschauer Vertrag mußte ich das gezwungenermaßen in der DDR tun. Die Einzelheiten habe ich zwar nicht mehr in Erinnerung, aber ich kann Ihnen versichern, daß da lauter Dinge drin standen, gegen die nur ein Unmensch etwas haben konnte.

Allein damit ist Russland in seinem jetzigen Zustand raus. Die Freiheit des Einzelnen endet da, wo sie mit Putins Interessen zu kollidieren beginnt. Demokratie hat Putin faktisch ausgehebelt, und die Grunsätze des Rechts basieren unter anderem auf Gewaltentrennung und unabhänigen Gerichten, die es in Russland derzeit ebenfalls nicht gibt.

Damit müßten aber, wie Sie weiter unten selber zugeben, eine ganze Reihe anderer Staaten auch raus sein.

Man kann Anstoß daran nehmen, daß die Russen Atomwaffen haben. Aber das haben mehrere NATO-Mitglieder auch. Oder das politische System ist zu autoritär, aber dann müßte man an die Türkei vergleichbare Maßstäbe anlegen.

Das ist allerdings wahr, spätestens seit Erdogan da am Werke ist entwickelt sich die Türkei in eine Richtung, die sich immer weniger mit den Nato-Grundsätzen vereinbaren lässt.

Die Türkei hatte früher oft eine Militärdiktatur, oder auch Griechenland. Spanien ist auch problematisch wegen der Eingriffe in die Pressefreiheit (Euskaldunon Egunkaria), wobei ja in diesem Zusammenhang immer wieder auch Foltervorwürfe im Raum stehen. So etwas hat für die NATO nie eine Rolle gespielt, da ging es immer um militärische und strategische Fragen. Also letztlich Freund-Feind Unterscheidung wie bei Carl Schmitt.

Ich möchte damit nicht die Sicherheitsbedürfnisse Russlands schmälern oder herunterspielen. Jedoch möchte ich sagen, dass diese Bedürfnisse, so berechtigt und legitim sie auch sein mögen, keinesfalls auf Kosten der Souveränität anderer Staaten wahrgenommen werden dürfen. Was im übrigen nicht nur für die Bedürfnisse Russlands gilt, sondern allgemein.

So hat die Politik aber noch nie funktioniert. Sobald es die Sicherheitsbedürfnisse anderer Länder tangierte, war es beispielsweise nicht mehr einfach eine souveräne Entscheidung des 2. deutschen Kaiserreiches, wie groß seine Marine ist.

Und zwei Weltkriege später war man bei folgendem angekommen:

"Die vertragschließenden Staaten bestätigen ihren Glauben an die Ziele und Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und ihren Wunsch, mit allen Völkern und mit allen Regierungen in Frieden zu leben." - Präambel Nordatlantikvertrag, Satz 1.

Das hat, wie ich finde, sogar ziemlich gut funktioniert - über 70 Jahre Frieden in ganz Europa sind absoluter Rekord, das hat es zuvor noch nie gegeben. Was so etwas möglich macht, kann meiner Meinung nach nicht ganz falsch sein.

Der unbedingte Respekt vor der Souveränität ist Ihnen dann also auf einmal nicht so wichtig. Was die schönen Worte angeht, so glaube ich, daß auch Putin darum nicht verlegen wäre. Der Warschauer Pakt war es früher jedenfalls nicht.

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